Splitterfasernackt
Moment zusammenbrechen.«
Da hat Valesca genickt und ihren Kopf an meine Schulter gelegt. Ihre Gedanken sind gegen meine gestoßen. Die verschobene Welt hat uns belächelt: zwei verlorene Mädchen auf einem viel zu großen Bett, umgeben von Dessous und ein paar achtlos dahingeworfenen Kondompäckchen. Im Zimmer nebenan stöhnt ein Mann, Lounge-Musik dringt durch die Luft, und im Flur steht Marla, die einem Kunden am Telefon die Preise erklärt.
Prostitution.
Das ist ein treibendes Spiel, betörend und undurchsichtig. Ein Raum voll schmutziger Phantasien und sinnlicher Begierde.
Prostitution – sie ist berechenbar und zahlt sich aus; aber die Abgaben sind höher als jede Summe, die man mit Zahlen darstellen kann. Es ist ein törichtes Abkommen zwischen uns splitternackten Mädchen und den unbefugten Männern.
Valesca hat ihre rechte Hand in meine geschoben. Es war schön, ihre Nähe zu spüren. Für eine halbe Stunde war ich nicht ganz so alleine, wie ich mich sonst immer fühlte.
Und ich wusste: Es gibt so viele verlorene Mädchen auf dieser Welt.
Aber wir wollen alle undurchschaut sein.
Bis wir uns bekennen.
4
W ochen später, der Herbst ist längst angebrochen und Slavenkas deutscher Wortschatz um einiges größer geworden. Brittany tanzt nackt im Flur herum, Minny telefoniert, und Valesca und ich liegen mal wieder auf dem Bett in Zimmer eins vor meinem Laptop und spielen Solitär.
»Kommst du damit klar, hier zu arbeiten?«, frage ich sie.
»Nicht ganz«, antwortet sie und zuckt mit den Schultern. »Mein Beruf ist Kosmetikerin. Ich nicht hier gehören, aber mein Deutsch zu schlecht, ich einfach nicht bekommen Arbeit.«
»Ich finde dein Deutsch schon ganz gut. Und du gehst doch immer noch in diesen Sprachkurs, bestimmt findest du bald einen Job«, sage ich.
»Ja, ich auch hoffen das«, meint Valesca und verschiebt ein paar Karten.
Ich drehe mich auf den Rücken und betrachte den Stuck an der Zimmerdecke, während mein Laptop anfängt, Feuerwerksgeräusche von sich zu geben, weil Valesca diese Runde gewonnen hat.
»Ich nicht mehr mag sehen Karten«, sagt sie, kuschelt sich an meine Seite und seufzt leise.
»Ich auch nicht«, stimme ich zu und fahre den Laptop herunter.
»Wann machen du Feierabend?«, fragt Valesca.
»Nicht so spät. Ich wollte heute Nacht noch ein bisschen zu Hause sein und in Ruhe schreiben, und du?«
»Ich gehen zwei Stunden früher als sonst«, erwidert Valesca. »Morgen eine Freund von mir haben Geburtstag, und ich noch müssen ein paar Sachen vorbereiten. Außerdem ist sowieso wenig Kunde heute.«
Valesca hat meistens nicht viele Gäste, aber das stört sie nicht weiter – ich glaube sogar, dass sie jedes Mal ziemlich erleichtert ist, wenn sie nicht ausgewählt wird.
»Vielleicht die Männer sehen, dass ich nicht wirklich wollen«, sagt sie nachdenklich zu mir. »Deshalb sie lieber nehmen andere Frau. Außerdem ich so winzige Brüste habe, noch kleiner als deins. Aber für mich ist okay so. Ich nicht will haben zu viele Männer. Diese Job mir geben Gefühl wie leeres Hülle. Ich nicht drin in mein Körper sein kann. Wie fremd zu mir selbst. Ist nicht gut.«
»Ich weiß, was du meinst«, erwidere ich.
Dann geht die Tür auf, und Marla bringt uns einen Teller mit Salat und zwei Gabeln dazu.
»Was machen ihr zwei schon wieder alleine hier?«, fragt sie und setzt sich für einen Moment zu uns. »Ihr müsst kommen rüber in Wohnzimmer. Brittany ist sehr betrunken und erzählen von ihrem Freund, das wirklich komisch ist. Wir alle viel lachen.«
»Gleich wir kommen«, sagt Valesca, und ich nicke.
»Aber beeilen euch, sonst Brittany wird mehr trinken und kippen um, und dann sie nicht mehr erzählen können lustiges Zeug«, meint Marla.
Anschließend schnappt sie sich noch ein paar Kissenbezüge und Bettlaken aus dem Schrank und verschwindet wieder.
Valesca drückt mir eine Gabel in die Hand, und ich drehe mich auf den Bauch, um mir eine Gurkenscheibe zu angeln. Während ich hineinbeiße und hoffe, dass Ana ihre Klappe hält, denke ich an all die Frauen, die wohl schon vor mir hier gearbeitet haben. Über die Stammgruppe, die zurzeit das Passion vertritt, habe ich eigentlich alles geschrieben. Da ist Marla, die morgens um elf Uhr öffnet und bis zur Schließung bleibt, dann sind da natürlich Minny und Valesca, die fast jeden Abend zusammen auf irgendeine Party gehen und immer wieder fragen, ob ich nicht endlich einmal mitkommen möchte. Außerdem Brittany, die
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