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Splitterfasernackt

Splitterfasernackt

Titel: Splitterfasernackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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unwillkürlich lächeln. Während der Fahrt blicke ich aus dem Fenster, sehe auf die vielen Lichter, die den Kudamm beleuchten, und habe ein bisschen das Gefühl, eine junge Frau auf dem Weg zu ihrem ersten Rendezvous zu sein.
    Für einen aufwühlenden Augenblick durchzuckt mich ein Schmerz. Ein Schmerz, der mich daran erinnert, wie wenig ich von Liebe verstehe, von Geborgenheit, von freiwilligem Sex und von Vertrautheit. Ganz egal, wie perfekt ich diese Dienstleistung mittlerweile beherrsche, wie gelassen ich mich zu einem Mann ins Bett lege – ich verstehe trotzdem nicht, wie es sein könnte, wenn es anders wäre.
    Seltsamerweise kann ich, ohne mit der Wimper zu zucken, Felias Rolle spielen, aber wenn mich ein Gast fragt, was ich in meinem
wirklichen Leben
so mache und wie mein richtiger Name ist, dann sage ich fast immer die Wahrheit. Ich habe es zuerst mit Lügen versucht, ich habe geantwortet: »Mein echter Name ist Caitlin, ich studiere Jura im vierten Semester. Meine große Schwester Hannah ist Chefköchin im Florenz 23 , und ich bin am Lietzensee aufgewachsen, ganz in der Nähe von dem kleinen Spielplatz. Ich fotografiere gerne, ich mag am liebsten Kirschkuchen, und ich habe keine Ahnung davon, wie man einen Computer konfiguriert. Übrigens habe ich im Frühling Geburtstag, wenn die Sonne scheint, im Gegensatz zu meiner besten Freundin Lilly, die hat nämlich im Herbst Geburtstag. Lilly – sie ist nicht wie ich. Sie war noch nie in einem Bordell.«
    Das war die beschissenste Lüge, die ich je erzählt habe. Anschließend musste ich mich im Badezimmer einschließen und heulen, um nicht durchzudrehen.
    Meinem nächsten Kunden habe ich dann erzählt, dass ich Synchronsprecherin für schnulzige Fernsehserien sei und einen kranken Hund zu Hause hätte, der dringend Medikamente bräuchte, die aber leider ziemlich teuer wären. Der Gast hat mir hundertfünfzig Euro extra für meinen todkranken Hund »Groby« gegeben und mir gesagt, dass sein eigener Hund vor einem Jahr an Krebs gestorben sei.
    Seitdem kann ich im Passion nicht mehr lügen. Der Zauber ist weg. Genau wie Caitlin.
    Wenn es gar nicht anders geht, weil die Wahrheit in den Ohren eines schleimigen Immobilienfuzzis verschwendet wäre, dann erzähle ich meine Zeugenschutzprogramm-Version: »Ach weißt du, ich habe mit diesem Nebenjob eigentlich nur angefangen, weil ich vor drei Jahren im Zeugenschutzprogramm untergebracht wurde und mein Betreuer mir geraten hat, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten und dabei, sooft es geht, Sex mit irgendwelchen Männern zu haben, damit ich zwischen all den Schlampen auf der Welt nicht weiter auffalle.«
    Es gibt tatsächlich Männer, die glauben so etwas.
    Es gibt tatsächlich Männer, die glauben, wir Frauen könnten diesen Job einfach so machen, ohne unseren Preis dafür zu bezahlen.
    Aber wir kommen uns teuer zu stehen.
     
    Monique hat mich mehr als einmal vor Unbedachtheit gewarnt.
    »Sei vorsichtig«, hat sie zu mir gesagt, »wenn du eine wahre Worte über dich zu einem Mann verraten, auch wenn er scheint nett. Denn wenn es geht um Frau, dann Männer werden sehr gefährlich. Niemals du kannst wissen, was sie tun. Nie kannst du ahnen, wie abgrundtief ein Mann sein. Also nicht erzählen zu viel von dir und auf keinen Fall, wo du wohnen.«
    Ich weiß, dass Monique recht hat.
    Wer weiß besser als ich, wie gefährlich Männer sind?
    Und ich habe nicht vor, die schönste Leiche im Park zu werden oder die Vorlage für
Totgefickte Nutte Teil  4
zu liefern. Aber manchmal verrate ich einem Kunden trotzdem meinen richtigen Namen, denn letztendlich ist es wahrscheinlich doch egal – denn wenn mir jemand wirklich Schaden zufügen will, dann schafft er das so oder so, ganz gleich, wie vorsichtig ich auch bin. Denn Verrückte sind ja bekanntlich geduldig genug, um tagelang beharrlich vor ein und derselben Tür hin und her zu schleichen, bis ihre ahnungslose Beute sich schließlich blicken lässt. Und diese Beute verfolgen sie dann, mit bedrohlich hallenden Schritten, nur um nahe genug an sie heranzukommen; um alles zu zerfetzen, was zerfetzt werden kann.
    Jonas, ein Stammgast von mir, einer der ersten Männer, die ich im Passion kennengelernt habe, hat mir bei seinem dritten Besuch eine Dose Pfefferspray mitgebracht.
    »Nur für alle Fälle«, hat er gesagt und mir über die Wange gestrichen. »Gib acht auf dich, Felia, versprich mir das. Du gehörst hier nicht her – vergiss das nie.«
    Ich habe nichts dazu

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