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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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los.
    Dann war ich weg.
    Ich kam wieder zu mir, weil etwas Kühles, Zartes rhythmisch auf meine Beine drückte. Langsam hob ich meinen Kopf und erkannte Mister X, der versonnen meine nackten Waden tretelte.
    »Hey«, sagte ich leise. Er tapste zu meinem Kopf und schnurrte mir hingebungsvoll ins Ohr.
    Colin war verschwunden. Mein Magen knurrte so laut und ge­quält, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam. Ich hatte mich schändlich vernachlässigt.
    »Mister X, ich muss dringend frühstücken.« Als habe er meine Worte verstanden und beschlossen, dass es hier für ihn nichts mehr zu tun gab, hüpfte er geschmeidig davon. Ich fuhr mir mit den fla­chen Händen über Arme und Beine. Keine Schramme, kein Kratzer. Auch mein Kopf hatte weich gelegen - auf was nur? Ich setzte mich in Zeitlupe auf und nahm die samtige Unterlage in meine Hände. Es war Colins graublaue Kapuzenjacke.
    »Na, du bist mir ja ein schöner Gentleman«, murmelte ich und stand vorsichtig auf. Lässt ein Kopfkissen da und verziehst dich. Aber ich fühlte mich besser. Viel besser.
    Colins Auto war ebenfalls fort. Wie lange war ich ohnmächtig ge­wesen? Zwei Minuten? Oder zwei Stunden? Ich halte keine Uhr bei mir, doch die Sonne stand bereits hoch. Stolpernd hastete ich zum Haus hoch.
    »Ellie!« Mama erwartete mich im Garten. »Wo hast du gesteckt? Ich wollte dich gerade suchen gehen.« Sie lief auf mich zu und sah mich aufmerksam an. »Was hast du denn da?«
    Ich wickelte die Kapuzenjacke beiläufig um meine Hüften, als ge­hörte sie mir. »Die hab ich mir doch in Köln gekauft«, schwindelte ich.
    »Nein, ich meine das hier«, murmelte sie und wischte mir zwei Grashalme von der Schulter, um mir danach etwas aus den Haaren zu ziehen. »Hoppla«, sagte sie trocken und hielt mir die Leiche einer fingerlangen, blaugrün schillernden Libelle vor die Nase.
    »Igitt, tu das weg!«, protestierte ich und schob ihre Hand von mir. Wieso hatte ich dieses Vieh nicht bemerkt? Im gleichen Moment spürte ich, dass mein Kopf zu schmerzen anfing.
    »Was ist passiert?«, fragte Mama und hinderte mich mit resolu­tem Griff daran, an ihr vorbei ins Haus zu entwischen. Sie blickte mir skeptisch in die Augen. »Meine Güte, Ellie, du bist ja kreide­bleich ...«
    »Okay, gut - ich bin ohnmächtig geworden«, gestand ich wider­strebend. Mamas Griff wurde noch fester. Mit finsterer Miene führ­te sie mich ins Haus. »Leo!«, rief sie streng. Dann wandte sie sich erneut mir zu.
    »Du hattest dich auf die Bank gelegt, als ich gegangen bin. Und bist ohnmächtig geworden? Im Liegen? Im Halbschlaf?« Sie nahm eine Serviette und wischte mir Erde von der Stirn. »Nach dem Was­sertreten?«
    »Hm. Ja. Muss wohl so gewesen sein«, sagte ich abwesend und linste auf den Frühstückstisch. Für eine Tasse Kaffee und ein Mar­meladenbrot hätte ich, ohne zu zögern, einen Mord begangen. Doch jetzt tauchte Papas mächtige Gestalt im Türrahmen auf.
    »Was gibt’s?«, fragte er. Seine Stimme klang dunkler als sonst und seine Haare waren zerzaust. Hatte Mama ihn etwa geweckt?
    »Sie ist nach dem Wassertreten eingeschlafen und dann ohnmäch­tig geworden«, sagte Mama. Sie hörte sich beinahe vorwurfsvoll an. Ihr Blick bohrte sich fest in Papas dunkelblaue Augen.
    »Nun macht nicht so einen Aufstand, ich bin okay«, versuchte ich sie zu beruhigen, klaubte mich von ihrer Hand los und setzte mich an den Tisch. In Mamas Version meiner Ohnmacht fehlte zwar ein Element, aber ich wäre mit Sicherheit auch ohne Colin umgekippt. Und dann hätte mich niemand aufgefangen. Hatte er das denn tat­sächlich? Oder mir einfach nur die Jacke untergeschoben?
    »Ihr geht’s gut, wie du siehst«, sagte Papa ruhig. Gut war relativ, doch ich hatte Hunger. Ich schmierte mir dick Nutella auf eine Scheibe Brot und trank hastig ein paar Schlucke lauwarmen Kaffee. Mama und Papa schauten sich stumm an.
    »Ich muss etwas mit dir besprechen«, sagte Mama schließlich for­dernd und stemmte die Arme in die Seite. Papa zuckte verwundert mit den Schultern und zog sich in den Flur zurück. Mama klapperte noch eine Weile lautstark mit Tellern und Besteck, bevor auch sie verschwand. Ich atmete auf. Hatten sie etwa plötzlich Gewissens­bisse, mich in die Wildnis entführt zu haben? Wenn ja, dann sollten sie sich ruhig ein paar Minuten lang grämen. Nach meinem Nutellabrot verschlang ich ein Brötchen und ein Croissant, trank drei Tassen Kaffee und schüttete ein großes Glas Orangensaft hinterher. Erst als ich wohlig

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