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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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noch der 13. Hast du etwa Angst? Schau doch, was für ein hübsches Tier.« Strahlend bewegte sie sich auf Mister X zu, doch der wandte sich im allerletzten Mo­ment von ihr ab und schritt lasziv von dannen. Mamas Streichel­hände blieben leer.
    »Ja, was für ein schönes Tier«, sagte ich trocken und Mama warf mir einen warnenden Blick zu.
    »Nun komm schon, du ungezogene Göre. Lass uns kneippen ge­hen.«
    »Das ist so spießig«, brummte ich und trabte Mama missmutig hinterher. Schweigend liefen wir hinunter zur Dorfmitte, an der Wirtschaft vorbei und über die Straße zu einer großen Wiese, wo der Bach knietief und erstaunlich friedlich entlangrauschte.
    »Da!«, rief Mama stolz, als habe sie das Flüsschen höchstpersön­lich in die Landschaft gegraben. Sie hatte ja keine Ahnung, welch intensive Bekanntschaft ich mit diesem Gewässer schon gemacht hatte. An der sanft abfallenden und von wilden Blumen bewachse­nen Böschung war ein Gestell verankert worden, über dessen steile Stufen man ins Bachbett gelangte. Unterhalb der Wasseroberfläche befand sich ein typisches Kneipprondell mit Geländer zum Fest­halten. Mama stapfte forsch ins eisige Nass. Seufzend folgte ich ihr und schnappte keuchend nach Luft, als das Wasser meine Knie um­spülte. Es war geradezu arktisch kalt und ich juchzte unwillkürlich auf, was Mama als Zustimmung interpretierte.
    »Das tut gut, oder?«, jubelte sic und jagte mich noch einmal im Kreis herum, obwohl ich inzwischen vor Schmerzen jaulte.
    »Nein, das tut weh«, jammerte ich und schoss in zwei Sätzen die Eisentreppe hoch. Stöhnend ließ ich mich auf der Bank nieder und streckte meine Füße in die Sonne. Dieser Akt war das Uncoolste gewesen, womit ich jemals meinen Tag begonnen hatte. Und wahr­scheinlich das Erfrischendste dazu.
    Mamas Lebensgeister jedenfalls waren geweckt.
    »Ich geh schon mal hoch und mache Frühstück - trödel nicht zu lange herum!«, rief sie und marschierte über die taunasse Wiese.
    Keine Frage, Mama schien die Natur zu bekommen. Sie blühte sichtlich auf, trotz ihrer dauernden Schlafstörungen. Ich hingegen kam mir ziemlich verwelkt vor und ich sah auch mit Sicherheit so aus. Doch anstatt mich einem längst überfälligen Schönheitspro­gramm zu unterziehen, legte ich mich längs auf die Bank und ließ mir die Sonne auf den Bauch scheinen.
    Ich dämmerte gerade ein, als ein sonores Motorengeräusch meine aufsteigenden Traumbilder zerriss. Schwere Türen klappten und eine Männerstimme rief etwas. Ich hob den Kopf und blinzelte in die gleißende Morgensonne. Vor dem Wirtshaus stand ein schwar­zer amerikanischer Geländewagen. Colins Wagen. Natürlich, die Schweinehälften.
    Ich beschloss, in den nächsten sechs Monaten kein Wildschwein zu bestellen. Weniger leicht fiel es mir zu entscheiden, was ich nun tun sollte - still beobachten? Hinübergehen und Guten Tag sagen? So wie ich war, in einer abgeschnittenen Jeans und einem simplen Shirt? Mit einem Vogelnest als Frisur?
    Ich löste meine Haare und schüttelte sie kräftig. Ohne in einen Spiegel zu schauen, wusste ich, dass sie wild aussahen. Wild und störrisch. Also doch lieber das Vogelnest. Blind versuchte ich, meine Mähne wieder hochzustecken, und fluchte dabei unflätig vor mich hin.
    »Lass sie offen. Ich weiß, wie du aussiehst, so oder so.«
    Ich fuhr zusammen und stieß mir beinahe die Haarklammer ins Ohr. Wie war der Kerl nur so schnell herübergekommen, ohne dass ich es bemerkt hatte?
    »Guten Morgen«, fauchte ich und überließ meine Haare ihren unbeherrschbaren Launen. Ich war ungewaschen, ungeschminkt, barfuß, zottelig - schlimmer konnte es kaum kommen. Hoffentlich sah auch er ein wenig mitgenommen aus.
    Nein, sah er nicht. Er trug eine legere Kapuzenjacke, ein graues
    T-Shirt, das einen gut gebauten Oberkörper verriet, perfekt sitzende Jeans und eine dicke schwarze Sonnenbrille. Mister Cool war hier.
    »Du hättest früher schlafen gehen sollen. Ich sagte doch, du sollst schlafen.«
    Na, das war ja ein grandioser Auftakt. Graf Koks war mal wieder allwissend. Ich stand auf, taumelte in der ungewohnten Wärme und stützte mich in der Hoffnung, es sähe lässig aus, an der Bank ab.
    »Hast du deine ekligen Schweine da drüben abgegeben?«
    »Ja, habe ich.«
    »Dein Kater saß bei mir vor der Haustür«, plapperte ich ohne Sinn und Verstand. Ich wusste wirklich nicht, was ich reden sollte. Colin kam mir plötzlich so fremd vor, so anders - und ich hasste es, seine Augen nicht sehen

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