Sportreporter
wie optimistisch war es doch von mir anzunehmen, meine eigenen überlebenden Kinder könnten sich einiger sicherer Geheimnisse im Leben erfreuen und würden nicht irgendeiner idiotischen Faktengläubigkeit oder der Demütigung endloser Erklärungen zum Opfer fallen. Ich wollte sie, wenn irgend möglich, davor bewahren. Die Scheidung und eine lahme Erfüllung der Elternpflicht haben das natürlich fast unmöglich gemacht, aber ich bemühe mich ehrlich darum, Tag für Tag.
Sich in einem Ort dieser Größe scheiden zu lassen, ist allerdings ganz und gar nicht angenehm – wenn auch sehr leicht, und in so vieler Hinsicht ist die Stadt dafür wie geschaffen, hat Verständnis dafür und weiß zu reagieren, indem sie »unterstützende Gruppen« bereitstellt (ein »Frauenrat« rief X noch am Tag unserer endgültigen Trennung an und lud sie zu einem »Imbiß aus der Tüte« in die Bücherei ein). Trotz allem ist es unangenehm, als Prozeßbeteiligter in dem Gebäude zu sein, das du sonst nur betreten hast, um Verwarnungsgebühr wegen falschen Parkens zu bezahlen oder um wiedergefundene gestohlene Fahrräder abzuholen, und wo dich Sekretärinnen und Streifenpolizisten immer für einen gediegenen Bürger gehalten haben. Du kommst dir anschließend irgendwie bankrott vor, da die Gesetze hier nicht dazu da sind, dich zu beachten oder auch nur beachtet zu werden, sondern nur, um dich einer ehrenhaften, unvoreingenommenen Gewalt zu unterstellen. Nach allem, was ich höre, sind Scheidungen in Las Vegas viel besser, da dort niemand irgend etwas beachtet.
Unsere Trennung verlief äußerst gütlich. Wir hätten natürlich verheiratet bleiben und auf bessere Zeiten warten können, aber es kam anders. Alan, X’ kleiner Anwalt mit süßen Träumen vom lukrativen Dasein eines Staranwalts – XKEs, die auf Rollbahnen für ihn bereitstehen, Revuetänzerinnen mit riesigen Titten –, beriet sich mit meinem massigen Middlebury-Typ – schräg abfallende Schultern, Bart, Ex-Peace-Corps-Mann, Exalkoholiker – und wurde mit ihm am Mahagonitisch in Alans Büro in einer Stunde handelseinig. Im wesentlichen gab ich alles preis, obwohl X nicht viel wollte. Ich behielt das Haus und trug als Gegenleistung mit meiner Hälfte der Ersparnisse dazu bei, daß sie ihres kaufen konnte. Ich erhob Anspruch auf die Landkarte von der Block-Insel und drei, vier andere Schätze. Für unser Erscheinen vor Gericht einigten wir uns auf »unüberbrückbare Gegensätze«; dann zogen wir alle zusammen über die Straße und setzten uns plaudernd und voller Unbehagen nach hinten und warteten, bis unser Fall aufgerufen wurde. Und in noch nicht mal einer Stunde waren wir »fertig«, wie das in Michigan heißt. X flog mit den Kindern gleich anschließend zu Golf- und Badeferien auf die Mackinac-Insel, um »ein bißchen Abstand zu gewinnen«. Ich fuhr nach Hause, ließ mich gründlich vollaufen und heulte bis in die Nacht hinein.
Was hätte ich sonst tun sollen? Das befreiende Ritual mit starken Getränken und heißen, heilenden Tränen ist alles, was die Natur uns gegeben hat. Ich hätte gern Gedichte von Rupert Brooke oder ›The Prophet‹ gelesen, konnte sie aber nicht finden. Gegen acht streckte ich mich auf der Couch aus, legte eine Videokassette mit der Aufzeichnung eines NBA-Spiels ein, das von wilden Dunkings geprägt war, aß ein Käse-Sandwich, fühlte mich allmählich besser, sah mir Johnny an und schlief dabei ein. Und ich erinnere mich, daß ich kaum einmal in meinem Leben so fest und traumlos geschlafen habe – bis um halb neun am nächsten Morgen; beim Aufwachen hatte ich einen Bärenhunger und setzte – wie ein blinder Fallschirmspringer – mein ganzes Vertrauen in die Zukunft.
Fühlte ich mich nicht entfremdet? Niedergeschlagen? Schamerfüllt? Hatte ich nicht das dringende Bedürfnis, mich aufheitern zu lassen? Fühlte ich mich nicht gespalten? Gereizt? Meine Antwort ist: nicht sehr. Verträumt wie Tarzan vielleicht. Einsam. Doch das hatte ich nach einer Weile eigentlich überwunden. Jedenfalls fühlte ich mich nicht als ein Opfer des Schicksals. Nach dem Frühstück stürzte ich mich auf die Arbeit und schrieb einen Artikel zu Ende, eine sechsteilige Analyse der Techniken des Base-Stehlens bei den Profis, und eh ich mich versah, steckte ich wieder mittendrin. Und dabei ist es dann auch geblieben. Wie Bert Brisker mir erzählte, drehte er nach seiner Scheidung durch, brach ins Haus seiner Exfrau ein, als die verreist war, schleuderte Ziegelsteine in
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