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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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hocken wir uns doch einfach hin zu einem echten Wunder, während wir uns ein paar Dinge klarmachen.« (Ein wissendes, homiletisches Grinsen.) »Sollen doch Plasmaphysik und Blasenkammern und Quarks mal versuchen, das zu erklären.« (Grinsende, nickende Gemeindemitglieder; und die Sonne strahlt mit allem, was sie hat, durch die modernen, abstrakt-ökumenischen, ewig sonnigen Fensterscheiben. Orgeloratorium. Herzen weiten sich zum Triumph.)
    Ich wünsche mir nur, mein lieber Junge, Ralph Bascombe, könnte aus seinem Schlaf unter freiem Himmel aufwachen und wie in alten Zeiten zu einer guten, österlichen Balgerei ins Haus kommen und anschließend – einmal jährlich – den Gottesdienst besuchen. Was wäre das für ein Tag! Was für ein Junge! Vieles wäre anders. Vieles hätte sich nie geändert.
    X, das weiß ich, geht mit Paul und Clarissa nicht in die Kirche, eine Tatsache, die mir Sorgen macht – nicht weil sie am Ende gottlos dastehen werden (das stört mich nicht im geringsten), sondern weil sie perfekte kleine Faktenverehrer aus ihnen macht, Datensammler, die für das Unbekannte weder besondere Achtung noch theoretisches Interesse aufbringen. Ostern wird ihnen schon bald wie ein gräßliches Stück Brauchtum vorkommen, das sie vergessen haben werden, noch bevor sie aus der Pubertät sind. Ein Phantasiegebilde. Natürlich hatte man bei den Dykstras, wo Fakten und Zahlen regierten, keine Zeit für Religion, obschon mir Irma erzählt, sie habe angefangen, mit den Praktiken der Holy Rollers in Orange County zu »experimentieren«, was mich zu der Sorge veranlaßt, für meine zwei könnte sich die Waagschale neigen, wenn sie erst ans Ende dessen kommen, was vernünftig und sachlich aufgedeckt werden kann – denn dahinter lauert der Extremismus. Man kann von dem verdammten Wissen ja auch zuviel bekommen und am Ende mit einem kolossalen Verlust dastehen, der nicht mehr wettzumachen ist. (Der Auftrag, den Paul vor drei Tagen seiner Taube mitgab, ist ein ermutigendes, gegenläufiges Zeichen.)
    Möglicherweise wissen sie schon zuviel über ihre Mutter und ihren Vater – denn nichts ist sachlicher als eine Scheidung, bei der so vieles erklärt und mit dem Verstand verarbeitet werden muß (obwohl sie sich um Gleichmut bemüht haben). Ich habe oft beobachtet, daß Kinder in dieser Situation anfangen, ihre Eltern beim Vornamen zu nennen und als Reaktion auf die Fehler ihrer Eltern zu kleinen Ironikern werden. Was könnte Eltern einsamer machen, als von einem kritischen Kind mit dem Vornamen angesprochen zu werden? Und wenn es nun böse Kinder wären, oder wenn sie, weil sie zuviel wissen, zu bösen Kindern würden? Allein schon auf Grund der schlichten Fakten meines Lebens könnten sie mich wie Mänaden zerfetzen.
    Ich gehöre einer Generation an, für die die Eltern keine gewöhnlichen Leute waren – wie Tom und Agnes, Eddie und Wanda, Ted und Dorie –, von ihren Kindern so demokratisch ununterscheidbar wie Stimmzettel in einer Wahlurne. Es wäre mir nie eingefallen, meine Eltern mit dem Vornamen anzureden; ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihr Leben – so unnahbar, wie sie für mich waren – gleiche meinem, ihre Ängste könnten es mit meinen Ängsten aufnehmen, ihre kleinsten Sehnsüchte spiegelten die Sehnsüchte aller anderen wider. Sie waren meine Eltern – höher nach absoluten und unerforschlichen Maßstäben. Ich wußte nicht, wie sie ihre Autos finanzierten. Wann sie sich liebten oder ob es ihnen Spaß machte. Wo sie versichert waren. Was ihnen ihre Ärzte im Vertrauen sagten (auch wenn beide letztlich schlechte Nachrichten gehört haben müssen). Sie liebten mich einfach und ich sie. Über all das andere zu plappern war ihnen kein Bedürfnis. Daß es immer etwas Wichtiges geben sollte, von dem ich nichts wissen würde, über das ich mir aber Gedanken machen und dem ich mich nähern konnte, ohne je sicher zu sein, was es war – das war, was mich angeht, ihre größte Mitgift und Lektion. »Das brauchst du nicht zu wissen«, war eine Antwort, die ich die ganze Zeit bekam. Ich habe keine Ahnung, welche Absicht sie damit verfolgten. Wahrscheinlich keine. Möglicherweise dachten sie, ich würde Wahrheiten (und Tatsachen) auf eigene Faust entdecken; vielleicht dachten sie auch – und das ist meine eigentliche Vermutung –, ich würde es nie wissen und deshalb glücklicher sein, und dieses Nichtwissen sei für sich selbst schon etwas ziemlich Bedeutsames und Befriedigendes.
    Und wie recht sie hatten! Und

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