Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
vadis Herb Wallagher?« In der Absicht, uns Mitleid mit Herb – oder irgendeine Vorstellung von Herb – einzuimpfen, uns zu überzeugen, daß wir im Grunde alle so sind wie er und tragisch verstrickt, während in Wirklichkeit nichts dergleichen zutrifft, da Herb nicht mal sehr sympathisch ist und die meisten von uns nicht im Rollstuhl sitzen. (Wenn ich die Gehälter zu bezahlen hätte, wären diese Typen ohne Job auf der Straße, wo sie keinen Schaden anrichten könnten.)
    Aber kann ich denn etwas Besseres schreiben? Ich bin nicht sicher. Manche Leben geben für den Blickwinkel eines Sportreporters nichts her. Es sollte möglich sein, die Sache von hinten aufzurollen, im Konzept der Einschränkung das Drama zu suchen, den Mumm des Überlebenden in Herb zu finden – so etwas würden Hunderttausende gern am Sonntagnachmittag lesen, wenn sie vor dem Essen ihren doppelten Martini trinken (wir haben alle unsere optimalen Leser und äußeren Gegebenheiten), so etwas zieht das Gewebe des gelebten Lebens fester zusammen. Es ist das Nächstliegende, an dem ich zu arbeiten habe. Und letztlich erwarte ich nicht mehr als das: kurz am Leben anderer auf niedriger Ebene teilzuhaben; mit einer schlichten, der Wahrheit verpflichteten Stimme zu sprechen; mich selbst nicht zu ernst zu nehmen; und es dann abzuhaken. Denn es ist schließlich eine Sache, über Sport zu schreiben, aber eine ganz andere ist es, ein Leben zu leben.
    Um neun bin ich auf, bin in meiner Arbeitskleidung draußen im Garten neben dem Haus und schnüffle wie ein Kettenhund in den Blumenbeeten herum. Nachdem ich mir über Herb Gedanken gemacht hatte, schlief ich wieder ein und wachte dann gut gelaunt und putzmunter auf – ich hatte den Kopf frei, die Sonne sprenkelte durchs Buchenlaub, und am Horizont keine Spur von dem häßlichen Detroiter Wetter. Zu den Arcenaults fahre ich jedoch erst in zwei Stunden, und ich habe, was in letzter Zeit öfter mal der Fall ist, irgendwie nicht genügend zu tun. Es ist für den, der allein lebt, einer der weniger angenehmen Aspekte, daß er sich manchmal zu sehr damit beschäftigt, womit ganz bestimmte Zeitabschnitte vergeudet werden, und daß er nach und nach eine Freude am Leben gewinnen kann, die von einer heillosen Sehnsucht geprägt ist.
    Hinter meiner Hemlock-Tanne sitzt Delia Deffeye in Tenniskleidung in ihrem Garten und liest die Zeitung, etwas, was ich sie hundertmal habe tun sehen. Sie und Caspar haben ihr allmorgendliches Match hinter sich, und nun ist er zu einem kleinen Schläfchen ins Haus gegangen. Die Deffeyes und ich haben es uns zur Regel gemacht, nicht jedesmal ein Gespräch anzufangen, wenn wir uns im Garten sehen, und normalerweise begnügen wir uns mit einem freundlich lässigen Winken, oder wir nicken uns lächelnd zu und kümmern uns dann wieder um unsere eigenen Angelegenheiten. Obwohl ich gegen ein Gespräch aus dem Stegreif nie etwas einzuwenden habe. Ich bin keiner, der sein Privatleben abschottet, und wenn ich draußen in meinem Garten Vigaro ausbreite oder meine Krokusse inspiziere, bin ich einer kleinen Begegnung an sich nicht abgeneigt. Delia und ich plaudern gelegentlich über ganz praktische Dinge aus dem Verlagsgeschäft, im Zusammenhang mit einem Buch über europäische Traditionen in der Architektur New Jerseys, das sie für die Historische Gesellschaft schreibt. Meine eigene Erfahrung liegt zwar Jahre zurück, aber ich bewahre mir eine Fachkenntnis, die auf dem gesunden Menschenverstand beruht und mich Klartext reden läßt: »Jeder Lektor, der einen Schuß Pulver wert ist, sollte von Ihrer Bereitschaft, sorgfältig mit Details umzugehen, hellauf begeistert sein. So was ist nicht selbstverständlich, kann ich nur sagen.« Und das ist alles , was ich sagen kann, aber Delia scheint bereit, sich etwas sagen zu lassen. Sie ist zweiundachtzig, wurde als Kind einer namhaften amerikanischen Kaufmannsfamilie in Marokko zur Zeit des Protektorats geboren und ist in der Welt herumgekommen. Caspar ist nach einer Laufbahn im diplomatischen Korps ans Seminar gekommen, um Ethik zu unterrichten. Beiden bleiben nicht mehr viele Jahre auf Erden. (Es ist tatsächlich eine Offenbarung, in einer Stadt mit einem Seminar zu leben, denn Seminaristen – wie Caspar – sind nicht so, wie man sie sich gemeinhin vorstellt. Die meisten sind keineswegs fromme Moralapostel, sondern scharfsinnige, liberale Typen, die an Eliteschulen denken lassen, die in zweiter Ehe mit knochigen, sonnengebräunten Frauen verheiratet

Weitere Kostenlose Bücher