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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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siehst du einen hohen, blassen Himmel und kommst dir vor wie in Florida, aber keine zwei Meilen weiter fühlst du dich wie im Mississippi-Delta – das zivilisierte Leben duckt sich unter hohen Überlandleitungen, die Erde in dicht bewachsene Streifen eingeteilt, wo Farbige angelnd auf niedrigen Brücken stehen, und am fernen Horizont der Höcker des Mount Holly, unmittelbar vor dem Delaware. Dahinter liegt Maine.
    In Pemberton, in der Nähe von Fort Dix, lege ich einen Halt ein und rufe noch einmal X an, um Ostergrüße zu bestellen. Ihr Anrufbeantworter redet immer noch mit dieser harten, geschäftsmäßigen Stimme, doch diesmal hinterlasse ich eine Nummer – die der Arcenaults –, unter der sie mich erreichen kann. Dann versuche ich, Walter anzurufen, der mir heute nicht aus dem Kopf geht, aber niemand geht ans Telefon.
    In Bamber – einem Ort, der nicht mehr ist als eine Poststelle und ein kleiner See jenseits der Landstraße 530 – gehe ich auf einen Drink in ein gemütliches, grob gezimmertes Rasthaus mit niedrig hängenden gelben Lampen und massigen Holztischen. Die Sweet Lou’s Sportsman’s B’ar gehört – dafür gibt es im Innern viele Hinweise – einem berühmten ehemaligen Footballspieler aus der 56er Mannschaft der Giants, Sweet Lou Calcagno. Jack Dempsey, Spike Jones, Lou Costello, Ike und viele andere waren mit Sweet Lou alle gut befreundet und haben Bilder für die Wände gestiftet, auf denen zu sehen ist, wie sie einen lächelnden Mann mit Bürstenschnitt und offenem Hemdkragen umarmen, einen Schrank von einem Mann, der so aussieht, als könne er einen Football verschlucken.
    Sweet Lou ist im Augenblick nicht zu sehen, aber als ich an der Theke Platz nehme, kommt eine schwergewichtige blasse Frau in den Fünfzigern mit toupierter Hochfrisur und Elastikhosen aus einer nach hinten führenden Pendeltür und macht sich daran, einen Aschenbecher zu säubern.
    »Wo ist denn Lou heute«, frage ich, nachdem ich einen Whisky bestellt habe. Ich würde ihn tatsächlich gern kennenlernen; vielleicht würde eine Geschichte herausspringen, für die Serie Was aus ihnen geworden ist : »Der frühere Abwehrschreck der Giants, Lou Calcagno, hatte einst einen Traum. Er träumte nicht von einem Zickzacklauf übers ganze Spielfeld oder vom Meisterschaftsendspiel oder von einem Platz in der Ruhmeshaltung; sein Traum war es immer, in seinem Heimatort Bamber draußen in Jersey ein kleines Wirtshaus zu besitzen, ein ruhiges, altmodisches Lokal, wo Freunde und Fans hinpilgerten, um in Erinnerungen zu schwelgen und die glorreiche alte Zeit wieder aufleben zu lassen …«
    »Was für ’n Lou?« fragt die Frau, zündet sich eine Zigarette an und bläst den Rauch seitlich aus dem Mundwinkel.
    Ich grinse noch breiter. » Sweet Lou.«
    »Er ist da, wo er immer ist. Wann war’n Sie denn das letzte Mal hier?«
    »Schon eine Weile her, würd ich sagen.«
    »Würd ich auch sagen.« Sie kneift die Augen zusammen. »In Ihrem letzten Leben vielleicht.«
    »Ich war immer ein großer Fan von Lou«, sage ich, auch wenn das nicht wahr ist. Ich bin nicht mal sicher, ob ich den Namen schon mal gehört habe. Um ehrlich zu sein, ich komme mir vor wie ein Idiot.
    »Er ist tot. Schon eine Ewigkeit, dreißig Jahre vielleicht? Jetzt wissen Sie, wo er ist.«
    »Das tut mir aber leid.«
    »Eben. Lou war eine Null«, sagt die Frau und wischt ein letztes Mal den Aschenbecher ab. »Eine Riesennull, kann ich nur sagen. Ich war mit ihm verheiratet.« Sie schenkt sich eine Tasse Kaffee ein und starrt mich an. »Ich will ja nicht Ihre Träume kaputtmachen. Aber. Verstehen Sie?«
    »Wie ist es passiert?«
    »Na ja«, sagt sie, »ein paar Gangster sind von Mount Holly rübergefahren; die sind dann mit ihm rausgegangen, auf den Parkplatz da draußen, wie alte Freunde, und dann haben sie so zwanzig- oder dreißigmal geschossen. Das hat gereicht.«
    »Was zum Teufel hatte er mit denen zu tun?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung. Ich war genau hier, hinter der Theke. Da sind sie reingekommen, zu dritt, lauter kleine Ratten. Sie sagten, sie wollten mit Lou reden, er solle mal rauskommen, und als er rausging, peng. Keiner ist reingekommen, um irgendwas zu erklären.«
    »Haben sie die Leute geschnappt?«
    »Nein, haben sie nicht. Keiner ist geschnappt worden. Lou und ich waren sowieso dabei, uns scheiden zu lassen. Aber ich hab nachmittags für ihn gearbeitet.«
    Ich sehe mich in der dunklen Kneipe um, wo Sweet Lou aus der Vergangenheit live auf

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