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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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vielleicht sogar bei mir im Obergeschoß – eine heiße Affäre zusammenbraut.
    Wie exotisch muß das aussehen! Ein primitiver alter Stammesfürst, alt genug, um ihr Vater zu sein, knüppelt drauflos wie ein unreifes Bürschchen.
    Als Bosobolo mich sieht, bleibt er unter dem Kristallüster stehen, den X von ihrer Tante geerbt hat, und sieht mich über den Gang hinweg an, als wäre ich weit weg. Er würde gern, das weiß ich schon, nach oben gehen und im Radio Bruder Jimmy Waldrup aus North Carolina hören, den er zutiefst bewundert, obwohl er einmal geklagt hat, daß er nicht verstehen kann, wie Bruder Jimmy so viele Dinge gleichzeitig im Kopf hat und so leicht weint. Er hat seine Beobachtungen auf etlichen Seiten festgehalten, die ich in seinem Zimmer gesehen habe. Seine Ausbildung hier ist umfassend.
    »Wie war die Sonntagsschule?« frage ich, unfähig, ein sarkastisches Grinsen zu unterdrücken. Alles zwischen uns bekommt den Anstrich einer komplexen Ironie.
    »Ach ja, sehr gut«, sagt er; er bleibt auf Distanz, wirkt aber ernst und irgendwie pedantisch. »Es wäre etwas für Sie gewesen. Ich hatte eine Gruppe von der Zweiten Methodistenkirche, die höheren Angestellten. Ich habe Ursprünge des Auferstehungsmythos erklärt.« Er lächelt von oben herab. »Der Neandertaler dachte, der Höhlenbär sei tot, und mußte dann erkennen, daß er lebte.« Ich kann mir natürlich genau vorstellen, was die höheren Angestellten – Geldhaie von Gruppenversicherungen, stellvertretende Filialbankdirektoren – von dieser Neuigkeit hielten. Ich bin sicher, daß sie jetzt noch davon reden, während sie im Howard Johnson’s draußen beim Lunch sitzen.
    »Klingt mir entschieden zu anthropomorphisch, Gus.« Gus nennen ihn die Professoren am Institut, die seinen richtigen Vornamen mit all den aggressiven Konsonanten nicht aussprechen können; aber man hat den Eindruck, daß er sich gern Gus nennen läßt.
    »Unser Ziel ist die Aussöhnung«, sagt er und geht einen Schritt zurück. »Gott bringt sich ein, wo immer er kann. Sozusagen.« Seine schwarzen Augen huschen zur Treppe und zurück. Ich würde ihn liebend gern wegen seiner kleinen Seminaristin in die Mangel nehmen, aber er wäre nur entrüstet. Er ist mit zahllosen Kindern verheiratet und versteht in bezug auf sein neues Arrangement wahrscheinlich keinen Spaß. Ich bin nun mal kein Fincher Barksdale.
    Ich schüttle in gespieltem Ernst den Kopf. »Ich glaube einfach nicht, daß das alles einen Sinn ergibt. Tut mir leid.« Wir unterhalten uns von einem Ende des Gangs zum anderen, und bei dem Abstand kann niemand allzu ernst sein.
    »Einstein glaubte an einen Gott«, sagt er rasch. »Es gibt da eine klare, logische Linie. Sie sollten zu den Diskussionen kommen.« Er hat sein großes schwarzes Evangelium bei sich, doch seine knochigen Finger schlingen sich um den Umschlag, so daß der Titel völlig verdeckt ist.
    »Ich hätte Angst davor, alles Rätselhafte aufzubrauchen.«
    »Wir hören keine Musik von Bach«, sagt er. »Unser Glaube steht auf dem Spiel. Sie hätten nichts zu verlieren.« Er lächelt, offensichtlich stolz darauf, Bach erwähnt zu haben; er weiß, daß ich Bach bewundere, und wir beide wissen, daß er erschöpfbar ist.
    »Haben Sie irgendwelche Zweifler an der Zweiten Methodistischen unten?«
    »Sehr viele. Ich biete nur an, was schon immer verfügbar war. Eines Tages werden sie alle sterben und selber dahinterkommen.«
    »Das ist furchtbar streng.«
    Bosobolos Augen funkeln fröhlich und entschlossen. Er ist die Autorität hier. »Wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich wieder mehr Mitgefühl haben.«
    Er zieht die Augenbrauen hoch und bewegt sich zentimeterweise auf die Treppe zu. Er hat Walters Besuch von gestern abend nicht erwähnt. Wenn er wüßte, daß Walter ihn für einen Butler gehalten hat, würde ihn das bestimmt amüsieren. In dem morgendlichen Luftzug, der durch mein Haus weht, rieche ich seinen körnigen Schweiß, einen Geruch, der mir tief in die Nase dringt und eine dunkle, aber nachhaltige Warnung enthält: Mit diesem Mann ist nicht zu spaßen. Die Religion ist für ihn nicht nur ein Sport.
    »Was ist mit Hobbes?« frage ich, bereit, ihn ziehen zu lassen. »Diskutieren Sie über ihn?«
    »Er war auch ein Christ. Die Zeitbedingtheit interessierte ihn.« Das heißt mit anderen Worten, ja, er turtelt mit der plumpen kleinen Seminaristin, und nein, er wird sich nicht davon distanzieren, und ich soll mich um meine eigenen Angelegenheiten

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