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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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kümmern. »Sie sollten wahrscheinlich mal hinkommen.«
    »Ich habe zu viele weltliche Geschäfte.«
    »Na dann, heute ist dafür ein guter Tag«, sagt er. Er hebt seine leere Hand, um mir zu winken, und geht, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch. »Gott strahlt heute für Sie«, ruft er vom düsteren Obergeschoß herunter.
    »Gut«, antworte ich. »Ich strahle zurück.« Ich gehe noch einmal in die Küche, um zuerst Frisker zu finden und mich dann auf den Weg zu machen.
    Auf meinem Weg durch die Stadt fahre ich langsam die Seminary Street entlang, die als Sackgasse auf dem Gelände des Instituts und vor der kleinen Kirche der Ersten Presbyterianergemeinde endet; der weiße Turm deutet in die Wolken hinauf. Der große Platz ist so leer wie ein Kirchenschiff (aber voll parkender Autos). Ein Mann in einem orangefarbenen Jackett späht von seinem Rollstuhl aus ins Fenster der geschlossenen Eisdiele, und unser einziger schwarzer Polizist steht in seiner schweren Polizeiuniform am Straßenrand. Der De Tocqueville-Minibus rumpelt vor mir her stadtauswärts und entfernt sich auf der Wallace Road. Beide Verkehrsampeln schalten in dem wäßrigen Sonnenlicht auf Grün. Es ist die perfekte Zeit für einen Raubüberfall.
    Ich biege nach Süden ab, Richtung Barnegat Pines, mache aber schon an der nächsten Kreuzung eine schwungvolle Wende – Ralph nannte das immer eine »scharfe Linkskurve« – und fahre zurück auf den leeren Behinderten-Parkplatz bei der Presbyterianerkirche.
    Ohne den Motor auszumachen, schlüpfe ich durch eine Seitentür in den hinteren Teil der Kirche. Geschäftige Helfer verteilen besondere »Programme« für den Ablauf des Ostergottesdienstes, vanillefarben und mit Büttenrand. Es sind Geschäftsleute aus dem Ort, in braunen Anzügen und mit Krawattennadeln, bereit, ein »Schön-daß-Sie-da-sind« zu flüstern, als seist du ein alter Bekannter mit einem Stammplatz in der Kirche. Kein Platznehmen während der Gebete, der Lobpreisungen und des Abendmahls. Reinschlüpfen kannst du während der Choräle, Ankündigungen und, natürlich, der Kollekte.
    Das ist mein Lieblingsplatz in der Kirche, gleich beim hintersten Ausgang. Da stand auch bei unseren wenigen Kirchenbesuchen in Biloxi meine Mutter immer mit mir. Ich kann auf einer Kirchenbank nicht stillsitzen und muß immer früher aufbrechen, und das stört die Leute und ist mir peinlich.
    Der Mann, der mich begrüßt, hat ein Namensschild angesteckt, und darauf steht »Al«. Jemand hat mit einem roten Filzstift »Big« davor geschrieben. Ich kenne ihn aus dem Eisenwarengeschäft und dem Coffee Spot . Er ist tatsächlich ein kräftiger und großer Mann in den Fünfzigern, der zu große Kleider trägt und nach Rasierwasser und Zigaretten riecht. Als ich dicht bei seiner Tür stehenbleibe, die offen ist und Reihen betender Köpfe sehen läßt, schleicht er heran, legt mir eine riesige Hand auf die Schulter und flüstert: »Wir finden gleich etwas für Sie. Vorn gibt’s noch genügend gute Plätze.« Rasierwasser überflutet mich. Big Al trägt einen Freimaurerring in Purpur und Gold, groß wie ein Schlagring, und seine behaarte Hand ist so breit wie ein Steigbügel. Er drückt mir ein »Programm« in die Hand, und ich höre seinen Atem tief unten in seiner geplagten Lunge. Die anderen Helfer beten alle, den Blick streng auf die Zehen und den leuchtend roten Teppich gerichtet, die Augen resolut geöffnet.
    »Ich bleib hier einfach einen Moment stehen, wenn’s recht ist«, flüstere ich. Schließlich sind wir alte Freunde, beide unser ganzes Leben lang Presbyterianer.
    »Na klar, Jim. Bleiben Sie ruhig stehen.« Big Al nickt seine volle Zustimmung, geht auf Zehenspitzen zu den anderen Helfern hinüber und neigt in einer dramatischen Geste den Kopf. (Es ist keine Überraschung, daß er mich mit jemandem verwechselt, denn nichts könnte hier weniger zählen als meine eigene Identität.)
    Der Kirchenraum schwimmt in einem ewig gleichbleibenden Licht, vollgepackt mit Köpfen und blumengeschmückten Hüten, gebeugt im flehentlichen Gebet. Der Geistliche, der eine halbe Meile entfernt scheint, ist ein rüstiger und ernsthafter, rastlos wirkender Mann mit einem mächtigen Brustkorb, einem buschigen Bart und einer Art Bischofslatz – ohne jeden Zweifel ein Seminarprofessor. Er überläßt sich dem alten Osterrätsel mit lauter Schauspielerstimme, die Arme hoch erhoben, so daß sein Talar große schwarze Fledermausflügel bildet, die über dem

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