Sportreporter
nun sonntags zum Essen eingeladen worden ist, damit er sich vor den Schlußprüfungen von der Gediegenheit der Familie überzeugen kann. Es ist kein schlechtes Gefühl, und ich bin sicher, daß ich gleich nach dem Essen wieder gehen kann.
Im Fernseher, einem Einbaumodell von der Größe einer ordentlichen Hundehütte, läuft ein Basketballspiel ohne Ton. Am liebsten würde ich den ganzen Nachmittag vor dem Fernseher sitzen, während Vicki neben mir Love’s Last Journey liest, und das Essen Essen sein lassen.
»Mir ist heiß, ist dir nicht heiß?« sagt Vicki, und plötzlich springt sie auf, geht durch das Zimmer und dreht heftig am Thermostat. Und fast im selben Augenblick trifft mich ein kühlender Luftstrom aus einer Lüftungsklappe unter der Decke. Sie dreht noch einmal daran, zeigt dabei ihren hübschen Hintern und kommt mit einem verschwörerischen Lächeln zurück. Kein Zweifel, zu Hause ist sie ein anderes Mädchen. »Nicht einzusehen, daß wir hier drin ersticken, oder?«
Wir sitzen eine Weile schweigend da und sehen zu, wie die Knicks die Cavaliers auseinandernehmen. Die Clevelander zeigen ihr gewohnt schnellfüßiges, aufregendes und aggressives Spiel, während die Knicks klumpfüßig und unbeholfen wie Giraffen wirken, unerklärlicherweise aber mehr Punkte erzielen, was die Clevelander fürchterlich ärgert. Zwei riesige Neger balgen sich um einen freien Ball, und fast im selben Moment geht eine üble Prügelei los. Schwarze und weiße Spieler gehen wie Bäume zu Boden, und das Spiel artet schnell in ein allgemeines Gerangel aus, mit dem die Schiedsrichter nicht mehr fertig werden. Polizisten kommen aufs Spielfeld und greifen sich, mit einem Lächeln auf den großen slowakischen Gesichtern, einzelne Spieler heraus, und so wie’s aussieht, wird die Lage nur noch verworrener. Es ist die in Cleveland übliche Taktik.
Vicki schaltet mit der zwischen den Sofakissen versteckten Fernbedienung das Bild ab, und mir bleibt nichts übrig, als mit großen Augen wortlos dazusitzen. Sie streicht ihr Kleid glatt, zieht es über die glänzenden Knie und sitzt dann so aufrecht da wie bei einem Bewerbungsgespräch. Durch den dehnbaren pinkfarbenen Stoff sehe ich die breiten, ernüchternden Umrisse ihres Büstenhalters (sie braucht eine stattliche Größe). Ich würde gern eine Hand zu einer dieser Brüste wandern lassen und ihren Kopf zu einem Osterkuß zurückbiegen, den ich immer noch nicht bekommen habe. Bratenduft ist überall.
»Hast du heute morgen die Sonntagsbeilage gelesen?« fragt sie, zerrt erneut an ihrem Jerseykleid und blickt hinüber zu der Elektroorgel, die unter dem matten, überladenen van Gogh an der Wand steht.
»Nicht daß ich wüßte.« Dabei kann ich mich nicht erinnern, was ich am Vormittag gemacht habe. Auf die Fahrt hierher gewartet. Meine einzige Beschäftigung für heute.
»Der olle Walter Scott sagte, eine Frau habe sich mit einem Honig-Shampoo die Haare gewaschen und sei dann mit nassen Haaren hinters Haus gegangen und dort von Bienen zu Tode gestochen worden.« Sie blickt mich mit Fischaugen an. »Ob das wohl wahr ist?«
»Was ist aus der Frau geworden, die sich die Haare mit Bier gewaschen hat? Hat sie am Ende einen Polacken geheiratet?«
Sie fährt heftig herum. »Du kommst dir wohl so witzig vor wie Red Skelton, was?«
Draußen in der Küche läßt Lynette mit viel Getöse eine Pfanne fallen. »’tschuldigung, Kinder«, ruft sie und lacht.
»Ist dir der Pflasterstein aus deinem Ring gefallen?« sagt Vicki laut.
»Ich hätt normal was anderes gesagt«, antwortet Lynette, »aber nicht zu Ostern.«
»Brich dir bloß keinen ab«, sagt Vicki.
»Ich hatte mal einen Ring von der Größe«, beteuert Lynettes freundliche Stimme.
»Und der dazugehörige Mann, wo ist der abgeblieben?« sagt Vicki mit einem erbosten Blick in meine Richtung. Sie und Lynette sind nicht gerade Freundinnen. Ich wünschte mir allerdings, sie könnten einen Nachmittag lang so tun.
»Der arme Mann ist an Krebs gestorben, bevor du ins Bild gekommen bist«, erklärt Lynette, immer noch heiter.
»War das in der Zeit, in der du konvertiert bist?«
Lynettes strahlendes Gesicht taucht plötzlich im Türrahmen auf; die Augen sind hellwach. »Kurz danach, Schätzchen, das ist richtig.«
»Du hattest wohl Hilfe und Führung nötig.«
»Das geht uns allen so, Vicki-Schätzchen, nicht wahr? Sogar Franky, möcht ich behaupten.«
»Er ist Presbyterianer.«
»Da schau her.« Lynette hat sich abgewendet und steht
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