Sportreporter
gilt Vicki, nicht mir. Ich bin geschlagen und frage mich unwillkürlich, ob Fincher nicht vor mir genau diesen Weg gegangen ist.
»Nein, was einem doch alles über den Weg läuft, wenn man nicht ordentlich bewaffnet ist«, sagt Vicki, während sie mit festem Griff meinen Arm umklammert und Fincher mit einem boshaften Lächeln wissen läßt, daß sie ihn durchschaut hat. Ich liebe sie mehr, als ich sagen kann.
Fincher murmelt etwas von einer »verdammt kleinen Welt«, aber von seinem forschen Auftreten ist nicht viel geblieben. »Ich hab die Versicherung«, sagt Vicki und schwenkt die Papiere vor meinem Gesicht hin und her, ohne Fincher im geringsten zu beachten. »Wenn du nachsiehst, findest du einen Namen, den du gut kennst. Die Religion hab ich auch geändert.« Der Liebreiz in ihrem Gesicht ist purer Ernsthaftigkeit gewichen. Es ist ein Gesicht, das ich ein paar Augenblicke zuvor nicht einmal sehen wollte, das mir jetzt aber als echter Freund hoch willkommen ist. Ich schlage den Aktendeckel der Mutual of Omaha auf und sehe Vickis Namen hier als Victory Wanda Arcenault – und meinen eigenen weiter unten als Versicherungsnehmer. Die Summe beträgt 150 000 Dollar.
»Und was ist mit dem Papst?« sage ich.
»Der alte Knabe ist schon in Ordnung, aber ich seh ihn ja nie.« Sie blinzelt zu mir auf, als hätte ich plötzlich einen blendenden Strahlenkranz um die Ohren. » Dich seh ich dagegen.«
Ich möchte sie an mich drücken, bis ihr die Luft wegbleibt, aber nicht in Finchers Gegenwart. Es würde ihm Anlaß zum Nachdenken geben, und ich will ihm nichts geben. Im Augenblick steht er mit offenem Mund da; seine Lippen bilden ein kleines, vollkommenes O . »Danke«, sage ich.
»Mir hat die Vorstellung gefallen, daß du all das Geld ausgibst und dabei an mich denkst. Das würde mich glücklich machen, ganz gleich, wo ich dann wäre. Du könntest dir eine Corvette kaufen – nur daß du wahrscheinlich lieber einen Cadillac haben wolltest.«
»Ich will nur dich«, sage ich. »Und wir sind ja sowieso beide dran, wenn das Ding abstürzt.«
Sie verdreht die Augen und blickt nach oben zur kristallhell ausgeleuchteten Decke des Flughafengebäudes. »Allerdings, da hast du wohl recht.« Sie nimmt die Police zurück und kniet sich hin, um sie in ihrer Le Sac-Tasche zu verstauen.
»Ich glaub, ich zieh dann weiter«, sagt Finch mit einem unruhigen Flackern in den Augen, denn hier ist etwas abgelaufen, was über seinen Horizont geht. Er steht jetzt mit einem kleinen Hüftknick da und befindet sich am Rand der Verlegenheit, ein Gefühl, das er aller Wahrscheinlichkeit nach die letzten zwanzig Jahre nicht mehr gehabt hat.
Die Halle um uns her füllt sich immer mehr mit Leuten, die an der Brust einen Pappdeckel-Anhänger mit den Worten AUF UND DAVON haben. Sie kommen von nirgendwoher und strömen nun alle in die Richtung der Flugsteige 36–51. In der Luft hängt plötzlich ein süßlicher Erdnußgeruch. Ein Flugzeug ist für Spätankömmlinge zurückgehalten worden, und ein Gefühl der Erleichterung kreist um uns wie eine Frühlingsbrise.
»War nett, Sie mal wieder zu sehen, Fincher«, sage ich. Fincher hat natürlich nicht mehr von einem Lustmolch als wir anderen, und erleichtert lasse ich ihn und seine feierliche Ichabod-Erscheinung ziehen.
»Und ob«, sagt Vicki mit einem von Abneigung erfüllten Blick, den er dankbar hinzunehmen scheint.
»Ich glaub, die lassen uns ein bißchen früher an Bord.« Fincher zeigt wieder sein Lächeln.
»Also dann, guten Flug«, sage ich.
»Klar, sicher.« Fincher lädt sich die Golfschläger auf die knochigen Schultern.
»Nicht ins Wasser fallen«, gibt ihm Vicki mit auf den Weg, aber Fincher ist schon außer Hörweite, und ich beobachte, wie er sich unter die anderen, aus Buffalo eingeflogenen erwartungsvollen Passagiere mischt, seine Golfschläger hoch über der Schulter, glücklich darüber, in einer neuen Menschenmenge aufzugehen, bereit, auf dem Weg in den Süden gute, ernsthafte Gespräche zu führen und den einen oder anderen Arm zu drücken.
»Habt ihr Streit gehabt, du und Fincher?« sage ich in einem kumpelhaften Ton.
»So kann man’s wohl nennen.« Vicki kniet am Boden, bis zu den Ellbogen in ihrer Reisetasche, in deren Tiefen wühlend. Wir sind als nächste dran, uns unseren Flug bestätigen zu lassen. »Der hält sich für ’n Witzbold. So richtig der Typ, der sich von hinten an einen ranschleicht, falls dir das was sagt. Ein böser Finger. Wir nehmen uns alle vor ihm in
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