Sprechende Maenner
Gefühl, auch wenn es niemand aussprach: Da kommt keine Frau mehr ran. Wir waren am Ende zu schwach. Oder der Konsens war zu stark. Je nachdem.
re:
Ich bin froh, dass du dich gegen das Männerhaus entschieden hast.
Man darf das Schicksal nicht zu sehr herausfordern. Wäre ich dein Schicksal, hätte ich längst gesagt: Gut, dann eben keine Frau. Wer nicht will, der hat schon.
aw:
Liebes Schicksal, ich glaube nicht an dich. Nur Maxim, der Trottel, denkt, dass du eine Akte über ihn führst. Er denkt, du hast ihm eine Frau verschafft. Ausgerechnet eine wohlhabende, gut aussehende Französin für den mittellosen Ostler. Als ob du, liebes Schicksal, die Franzosen so sehr verachten würdest â¦
Lieber Maxim, ich störe nur ungern deine romantische Vorstellung. Wir Männer leiden sowieso schon unter Romantikmangel. Aber um die groÃe Frage zu beantworten, die du dir am Wochenende gestellt hast: Was wäre passiert, hättest du Catherine nicht kennengelernt?
Du hättest eine andere Frau kennengelernt.
Das Lustige ist, dass wir das Schicksal immer dann bemühen, wenn es uns angenehme Ergebnisse verschaffen soll. Aber es gibt einen einfachen, schönen Satz von Alain de Botton: »Romantischer Fatalismus bewahrt uns vor dem undenkbaren Gedanken, dass das Bedürfnis zu lieben immer unserer Liebe zu irgendeiner bestimmten Person vorausgeht.«
Du hast nicht zufällig geheiratet, Maxim. Nicht zufällig zwei Kinder gezeugt, nicht zufällig einen Beruf gelernt, nicht zufällig ein Haus gekauft, und nicht zufällig noch ein weiteres Haus gekauft. Wahr scheinlich spielte nichts in deinem Leben als Ehemann eine so geringe Rolle wie der schicksalhafte Zufall, an den du so gerne glauben möchtest. Du wolltest das alles so.
Gäbe es Catherine nicht, dann würdest du mir in diesen Minuten von einer anderen Frau schreiben. Deiner Ehefrau. Nennen wir sie Silke. Du würdest dir jetzt exakt die gleiche Frage stellen: Was wäre passiert, wenn ich Silke nicht kennengelernt hätte? Und ich würde dir antwor ten: Dann hättest du eine andere Frau kennengelernt. Nennen wir sie Catherine.
re:
Lieber Jochen, in der Tat laufe ich mit der Idee durch die Welt, mein Leben wäre völlig anders verlaufen, wenn ich Catherine nicht am 27. Januar 1994 gegen 20.00 Uhr in einem afghanischen Restaurant unweit des Montmartre in Paris begegnet wäre. Ich hatte das Bild eines einsamen Mannes vor mir, der in einer dunklen Erdgeschosswohnung haust und von altem Toastbrot lebt. Einer, der den entscheidenden Moment verpasst hat. Natürlich fand ich diese Vorstellung vor allem deshalb anrührend, weil ich den Moment ja nicht verpasst hatte. Ein wohliger Schauer flog über meine Haut, wenn ich an den einsamen Mann und das Toastbrot dachte.
Ich wäre bis eben, als ich deine Zeilen las, sogar bereit gewesen, das erste Treffen mit Catherine als historisch zu bezeichnen. Es gibt ja diese Anekdoten aus der Weltgeschichte, auch die von Napoleon bei der Schlacht von Austerlitz, als sein Pferd mit ihm durchgeht und die eigenen Offiziere denken, er beginne die entscheidende Offensive, weshalb die Offensive dann auch begann, überraschend für alle, und vor allem siegreich. Was wäre geschehen, wenn Napoleons Pferd nicht gescheut hätte? Was wäre geschehen, wenn ich das afghanische Restaurant nicht gefunden hätte?
Du sagst: Nichts Besonderes. Hättest du eben eine andere genommen.
Was mich an der Sache verunsichert, ist, dass ich das Gefühl habe, du könntest recht haben. Ich weià aber nicht, warum. Bin ich ein Mensch, der nur eine Art von Leben führen kann? Gibt es eine Art Papavirus, der in bestimmten Männern schlummert und nach ein paar Jahren ausbricht?
Tja, kompliziert. Ich weiÃ, warum ich nicht gern über solche Sachen nachgrübele. Dieses Hinterfragen macht einem das schöne Leben kaputt. Am Ende weià ich vielleicht, wer ich bin. Aber dann stehe ich da mit meinem rohen, hässlichen Ich und dieser dürren Geschichte, die mein Leben sein soll. Und schuld wirst du sein, Jochen, weil du den Strahl der Erkenntnis auf eine lichtscheue Blume gelenkt hast, die nun ihr Köpfchen sinken lässt.
Kannst du mit dieser Verantwortung leben, du alter Wahrheitsfanatiker?
aw:
Als Anästhesieschwester sage ich: Es wird dir gleich besser gehen. Die Wahrheit tief einatmen. Ganz tieeeeef!
Tag 37
An dem es um ersten und letzten Sex geht und an
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