Spring in den Himmel
verrückt. Ein Mensch, der sterben möchte und dich in den Tod mitnehmen will.«
»Yoyo hat viele Seiten. Ihr kennt nur die hellen, die lustigen. Aber ich habe auch gesehen, wie unberechenbar sie sein kann. Sie wollte mir Alexander wegnehmen …«
Die Eltern sahen sie verblüfft an.
»Yoyo und Alexander?«
»Ich habe selbst gesehen, wie sie ihn geküsst hat!«
»Dazu gehören immer noch zwei.«
Der Hieb saß. Jamina wusste, dass die Mutter recht hatte.
Noch einmal versuchte der Vater, der Auseinandersetzung die Schärfe zu nehmen.
»Sabine, lass Jamina doch einfach mal erzählen, wie sie die ganze Sache erlebt hat.«
Die Mutter schüttelte den Kopf. »Ich kann jetzt nichts mehr hören und ich will es auch nicht.«
Damit stand sie auf und ging. Jamina sah den Vater entsetzt an.
»Gib ihr Zeit«, sagte der nur. »Wir sind alle etwas durcheinander.«
31. Kapitel
Zum dritten Mal seit Yoyos Flug von der Brücke stand sie hier. Betrachtete das Krankenhaus, das von Weitem ein bisschen wie ein ländliches Schloss aussah. Sie folgte dem Weg zum Haupteingang. Rechts und links die Säulen, im Blumenbeet wuchsen aber nicht nur Rosen, sondern auch Unkraut. Anders als in einem Schlosspark. Jamina sah Menschen kommen und gehen, Autos vor- und wegfahren. Der Bus spuckte Menschen aus, die hineingingen. Vielleicht dort arbeiteten, vielleicht Verwandte oder Freunde besuchten. Aber sie zögerte, die Klinik zu betreten. Wie schon gestern. Wie schon vorgestern.
Wieder hatte sich Jamina vorgenommen, Yoyo zu besuchen. Aber sie schaffte es einfach nicht. Wie es ihr wohl ging? Ob Alexander schon da gewesen war? Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, obwohl sie ja verabredet gewesen waren für den Tag nach dem Kuss mit Yoyo. Sie hatte sich auch nicht bei ihm gemeldet. Ob er von dem Unfall wusste und von wem er es erfahren hatte, es war ihr egal.
Da stand sie nun, seit einer halben Stunde und betrachtete die Klinik. Hier war sie auch gewesen. Nur für zwei Stunden, aber immerhin. Mentaler Schock, hatte der Arzt gesagt. Sie dachte an die nette Krankenschwester,an die Fragen der Polizei nach dem Unfallhergang.
Ja, sie hatte die Wahrheit erzählt. Doch nicht die ganze Wahrheit. Ihre Gedanken und Vermutungen hatte sie verschwiegen, auch Alexander hatte sie nicht erwähnt. Hätte sie sagen sollen, dass es vielleicht doch kein Unfall gewesen war? Damit Yoyo psychologische Hilfe bekam? Oder war das zu viel Spekulation? Sie wusste es nicht, spürte aber die Last einer Verantwortung, die sie nicht haben wollte.
Sie betrat das Krankenhaus. Links die Information, Menschen, die die Wegweiser studierten. Ein Hinweis auf das Café, einer auf den Minimarkt, den Blumenladen, den Friseur. So viele Stationen, so viele Wege. Eine Stadt in der Stadt tat sich hier auf.
Sie ging zur Information und wartete geduldig, bis die beiden Besucher vor ihr die gewünschte Auskunft bekommen hatten.
»Ich möchte zu …« Ihr wurde klar, dass sie Yoyos richtigen Namen sagen musste. »… zu Nele Broderkampp.«
Alias Yoyo alias Friederike Heidenbach, dachte sie, während ihr die Frau nach einem Blick in den Computer Station und Zimmernummer nannte.
Sollte sie Blumen besorgen? Oder Süßigkeiten?
Hier konnte man noch vieles kaufen, wenn man nichts dabei hatte, aber doch nicht mit leeren Händen kommen wollte.
Sie entschloss sich, nichts mitzunehmen. Sie kam einfach so. Zum Reden.Eine Viertelstunde stand Jamina vor der Zimmertür. Sie konnte sich nicht überwinden hineinzugehen. Sie saß auf einem Stuhl und wartete, starrte auf die Tür. Schwestern und Krankenpfleger gingen vorbei, mit einem fragenden Blick. Aber niemand nahm Anstoß. Hier wartete doch immer irgendjemand auf irgendetwas. Im Morgenmantel, im Pyjama, im OP-Hemd oder eben komplett angezogen wie Jamina.
Gerade als sie aufstehen und klopfen wollte, kam ein Mann heraus. Groß und schlank, leicht ergraute Haare, die er hinten etwas länger trug. Der Anzug sah teuer aus, fand Jamina. Besonders aber fielen ihr die Hände auf. Sie wirkten, als hätte er noch nie hart damit arbeiten müssen.
Befehlen schien er gewohnt. Er hielt gleich die nächste Schwester auf, obwohl die offenkundig in Eile war.
»Wo finde ich den Chefarzt?«
»Der Stationsarzt kommt da vorne, sehen Sie.«
»Ich rede vom Chef.«
»Der ist im OP, tut mir leid.«
Die Schwester sah zu, dass sie davonkam. Der Mann wirkte unzufrieden, zumal der Stationsarzt nicht allzu schnell durch den Flur schlenderte. Er ging ihm mit großen
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