Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
Vom Netzwerk:
Krankenhauskeimen und einer möglichen Infektion beschäftigten sie sehr.
    Â»Isch kann da nisch hingucken«, sagte sie im breitesten Kölsch. »Wenn isch mir vorstelle, wat da jetzt an Bakterien rankommt, da wird mir janz anders.«
    Â»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte ich sie. »Ihr Verband ist ganz steril und keimfrei. Solange sie ruhig auf ihrer Liege bleiben, passiert nichts.«
    Während ich mit dem Rücken zu Frau W. die Handverletzung eines anderen Patienten verband, erzählte die alte Dame munter aus ihrem Leben. Dabei sparte sie nicht mit Pointen und deftigen Witzen, und so erfuhr ich nebenbei eine Menge über Köln in der Nachkriegszeit, über die aufwendige Pflege des verstorbenen Herrn W. und über die vier Enkelkinder von Frau W., die ihre Oma regelmäßig besuchten.
    Â»Dat sind prima Kinder«, sagte Frau W. »Der Jüngste ist jetzt drei und lernt gerade, aufs Töpfchen zu gehen. Niedlich, sage ich Ihnen, niedlich.«
    Mit einem Mal veränderte sich Frau W.s Stimme.
    Â»Der pisst! Der pisst! Verdammt, der pisst mich voll!«
    Diese Wendung in Frau W.s Enkelkindergeschichten überraschte mich zwar, andererseits erzählte die alte Dame ja die ganze Zeit schon Anekdoten aus ihrem Leben, insofern schenkte ich diesem Ausbruch keine große Beachtung.
    Â»Ja, ja, irgendwann werden sie alle trocken«, sagte ich stattdessen und kümmerte mich weiter um meinen Verbandswechsel.
    Â»Hilfe! Der pisst mich total voll!«, schrie Frau W. aufgebracht. »Verschwinden Sie! Hauen Sie ab!«
    Erschrocken drehte ich mich um und sah, wie Hubert S. mit halb geöffneten Augen vor Gertraud W. stand und auf die alte Dame urinierte.
    In Sekundenschnelle war ich bei ihm und riss ihn fort von Frau W. Zum Glück war Hubert S. gerade fertig geworden, so dass ich nichts mehr abbekam. Glück für mich zumindest, denn leider bedeutete das auch, dass die gesamte Ladung Frau W. erwischt hatte und diese nun tropfend und triefend vor mir lag. Die alte Dame war pitschnass und außer sich. Zu Recht.
    Â»Was ist denn mit Ihnen los?«, schrie ich Hubert S. an. »Sind Sie irre?«
    Herr S. war sich keiner Schuld bewusst. Er murmelte nur »… musste mal … was’n los? … warum schreien alle?«, zog dann taumelnd den Reißverschluss hoch und legte sich wieder auf die Liege. Laut schnarchend schlief er dort weiter.
    Betrunken und im Halbschlaf hatte er die Nachbarliege mit der Toilette verwechselt.
    Als er nach ein paar Stunden wieder so weit ausgenüchtert war, dass wir ihn entlassen konnten, schämte Hubert S. sich abgrundtief. Der Geschäftsmann, der nach einem erfolgreichen Vertragsabschluss zu viel getrunken hatte und gestürzt war, war entsetzt über sein Verhalten und bestand darauf, sich bei der inzwischen operierten Frau W. zu entschuldigen.
    Eigentlich hielt ich nichts von der Idee, aber da der Mann derart peinlich berührt war und nicht aufhören wollte, zu bitten und zu betteln, zeigte ich ihm schließlich Frau W.s Zimmer. Ich ermahnte ihn, sich so kurz wie möglich zu halten, aber so weit sollte Hubert S. nicht kommen.
    Gertraud W.s Stimme überschlug sich fast, als er in ihrer Tür stand. Laut und schrill tönte es über den gesamten Flur:
    Â»Die Toiletten sind am Ende des Gangs! Raus hier, raus hier!«
    Danach schlug krachend ein Mineralwasserglas neben Hubert S. ein, der daraufhin sofort das Weite suchte.
    ***
    Ich zähle durchaus zu den Schwestern, die das Gespräch mit den Patienten suchen. Ich finde es immer besser, die Dinge zu besprechen, anstatt sie einfach wortlos zu übergehen. Kommunikation macht uns Menschen doch aus, nur so können wir den anderen verstehen und unsere Probleme erkennen und lösen. Solange ein Patient ansprechbar ist, rede ich also mit ihm.
    Doch es gibt Patienten, bei denen jedes Wort überflüssig ist, bei denen man sich die Diskussion besser spart, weil schnell klar ist, dass sie sowieso nichts bringt. So auch im Fall von Annette V. …
    Mit einer schweren Infektion wurde Frau V. zu uns in die Notaufnahme gebracht. Sie war auf der Straße gestolpert und konnte nicht mehr weitergehen, sodass Passanten den Rettungsdienst riefen. Ihr linkes Bein wollte einfach nicht mehr, und als ich es mir ansah, verstand ich auch, warum. Eine ca. zehn Zentimeter große, offene Wunde prangte auf ihrem Schienbein. Sie war völlig vereitert und dringend

Weitere Kostenlose Bücher