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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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das einzig Richtige für sie, und ich nahm mir vor, Frau V. beim nächsten Verbandwechseln darauf anzusprechen.
    Ich sollte sie jedoch nie wiedersehen. Dafür bekam ich die Nummer ihrer Tochter heraus und telefonierte einige Tage später mit ihr. Sie versprach, sich besser um ihre Mutter zu kümmern, und ich hoffe, dass sie das auch getan hat.
    ***
    Bevor man für die Benutzung einer Bahnhofstoilette bezahlen musste, war es um die Sauberkeit an diesen Örtlichkeiten bekanntermaßen gar nicht gut bestellt. Wer kein Junkie war und trotzdem ein Bahnhofsklo aufsuchte, der beeilte sich, sein dringendes Bedürfnis so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
    So ging es auch Claus H. Nach einer sechsstündigen Zugfahrt kam er endlich am Kölner Hauptbahnhof an. Hatte er im Zug noch geglaubt, er könne es bis zu Hause aushalten, machte ihm seine Blase auf dem Bahnsteig überdeutlich klar, dass daraus nichts werden würde.
    Als er in die Toiletten rannte und sich erleichtern konnte, hatte er nur einen Gedanken: so schnell wie möglich ab nach Hause und unter die Dusche.
    Also schnell den Reißverschluss hoch und – tja. Da war es passiert. Claus H.s Vorhaut war in die Fänge des Zippers geraten. Es gab kein Vor und kein Zurück, die Zähne des Reißverschlusses hatten sich in den Penis verbissen. Eine schmerzhafte und zugleich auch peinliche Angelegenheit. Wie sollte er so bloß zu einem Taxi kommen? Mit einem blutigen, halb aus der Hose hängenden, im Reißverschluss verwickelten Penis lief schließlich keiner gerne durch eine belebte Bahnhofshalle.
    Claus H. knotete sich seine Jacke um die Hüften, biss die Zähne zusammen und bestieg ein Taxi. Leichenblass kam er so zu uns in die Notaufnahme und schilderte mir, was passiert war.
    Â»Sie müssen mich befreien, Schwester«, stöhnte er. »Wenn’s geht, schnell.«
    Â»Ich werde mich bemühen«, erwiderte ich und schaute mir das Dilemma an.
    Wenn Sie glauben, man hätte das gute Stück mit einem ordentlichen Ruck wieder befreien können, dann irren Sie sich. Hätte ich das getan, hätte ich dem armen Mann vermutlich die komplette Vorhaut abgerissen. Jeder einzelne Zahn des Reißverschlusses hatte sich um ein Stück Vorhaut gewickelt – oder umgekehrt. Eine Sisyphusarbeit stand uns bevor.
    Für Dr. Uwe M. stand recht schnell fest, dass die Zeit für seinen Einsatz noch nicht gekommen war.
    Â»Fangen Sie schon mal an, Schwester. Ich schicke Ihnen dann Dr. H. zum Nähen«, sagte er und eilte zu einem anderen Patienten.
    Â»Dann wollen wir mal«, sagte ich betont munter und griff zum Skalpell. Claus H. wurde noch blasser, als er es eh schon war.
    Â»Was zur Hölle …?«
    Â»Der Reißverschluss«, sagte ich. »Ich muss den Reißverschluss aus der Hose schneiden, sonst kann ich da nicht richtig ran.«
    Vorsichtig schnitt ich dem jungen Mann also die Hose kaputt. Dabei beobachtete er mich nervös, und ich hatte durchaus Verständnis dafür. Wäre ich mit dem Skalpell abgerutscht, hätte das seine Situation deutlich verschlimmern können.
    Am Ende waren Hose und Reißverschluss voneinander getrennt, und ich konnte mich um das eigentliche Problem kümmern. Nachdem Claus H. etwas gegen die Schmerzen bekommen hatte, löste ich den Zipper Zahn für Zahn von seinem Penis ab. Das Wort »Fummelei« erschien in diesem Augenblick in einem völlig neuen Licht.
    Der Reißverschluss war ab, jetzt musste Claus H. nur noch genäht werden. Danach konnte er nach Hause gehen.
    Â»Ã„h … wie soll ich denn jetzt gehen?«, fragte er vorsichtig, als ich ihn verbunden hatte.
    Â»Wieso?«, fragte ich. »Haben Sie noch solche Schmerzen?«
    Â»Nein, nein, aber meine Hose ist doch im Eimer.«
    Stimmt. Ich hatte die Hose ja eigenhändig kaputt geschnitten, eigentlich bestand sie nur noch aus ein Paar Beinen.
    Â»Ich gebe Ihnen eine OP -Hose«, sagte ich ihm lächelnd und reichte ihm eine der grünen, weiten Hosen, die er angesichts seines Verbands im Schritt sowieso viel besser tragen konnte als seine enge Jeans.
    Am nächsten Tag erschien Claus H. mit einem dicken Blumenstrauß bei uns in der Notaufnahme.
    Â»Ich konnte mich gestern gar nicht richtig bedanken«, sagte er und reichte mir den Strauß. »Es war wirklich super, dass Sie mir noch eine Hose besorgt haben. Echt. Ich bin vor der Tür tatsächlich

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