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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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Privatleben zu versorgen.
    Â»Wenn ich zu einer Seniorenveranstaltung gehe, bin ich immer der Hahn im Korb. Gibt ja kaum noch Männer in meinem Alter, sind doch alle tot. Aber Frauen! Die gibt es! Und zwar jede Menge! Na ja und da …«
    Ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten und ein lautes Lied angestimmt, um die weiteren Ausführungen nicht hören zu müssen. Selten war ich so dankbar, die vertraute Stimme unseres gut gelaunten Urologen zu hören.
    Â»Hoppla, was haben wir denn hier?«, sagte Dr. Uwe M. fröhlich und betrachtete interessiert das mehr oder weniger gute Stück von Herrn B.
    Â»Eine schwere Infektion an der Eichel. Ich vermute außerdem eine Prostatavergrößerung und einen aufsteigenden Harnwegsinfekt«, erklärte ich ihm kurz. »Ich muss weg. Nach dem Oberschenkelhals in der Drei schauen.«
    Schnell sprang ich auf. Dr. M. sah mich grinsend an und nickte nur kurz.
    Als ich aus der Behandlungskabine raus war, holte ich tief Luft und schüttelte mich kräftig. Dann war es wieder gut, und ich war selbst überrascht, wie schnell ich solche Sachen mittlerweile abhaken konnte (und musste).
    ***
    Natürlich wird in einer Notaufnahme streng auf Hygiene geachtet. Heutzutage jedenfalls. In meiner Anfangszeit als Krankenschwester gab es durchaus einen Arzt, der mit blutigen Handschuhen Verbandsmaterial aus dem Schrank heraussuchte und danach den Patienten munter weiter versorgte. So etwas gehört zum Glück der Vergangenheit an. In Zeiten, in denen das Thema Krankenhauskeime hochaktuell und enorm brisant ist, leistet sich niemand mehr solche Fauxpas.
    Dafür sorgen andere.
    Es gibt Momente, da kommt man selbst mit der strengsten Hygiene nicht weiter. So auch an dem Abend, als Hubert S. in die Notaufnahme eingeliefert wurde und ich mich fragte, warum ich eigentlich dauernd das gesamte Mobiliar desinfiziere und peinlich genau darauf achte, alles keimfrei zu halten.
    Hubert S. hatte bis auf eine Platzwunde an der Stirn keine Verletzungen. Er war offensichtlich betrunken, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass der Grad seiner Trunkenheit besonders besorgniserregend war. Jedenfalls hatte ich schon deutlich Schlimmeres erlebt.
    Vielleicht lag es aber auch an seinem Erscheinungsbild, dass ich Hubert S. nicht so viel Aufmerksamkeit schenkte. Er war Anfang sechzig und eigentlich recht gepflegt. Er trug eine beigefarbene Cordhose und ein hellblaues Hemd, auf dem einige Blutflecke zu sehen waren, die von seiner Platzwunde stammten. Im Gegensatz zu den anderen Betrunkenen, die ständig in die Notaufnahme gebracht wurden, wirkte er überaus seriös. Offensichtlich war er kein Obdachloser oder Junkie, und somit bestand die begründete Hoffnung, dass er sich trotz seines Zustandes einigermaßen zu benehmen wusste.
    Hubert S. war ansprechbar, wenngleich auch recht müde. Jedenfalls nickte er immer wieder weg. Nachdem wir seine Platzwunde genäht und schwerere Kopfverletzungen ausgeschlossen hatten, beschlossen wir, ihn auf seiner Liege schlafen zu lassen. Sollte er doch erst mal seinen Rausch auskurieren.
    Die Liege von Hubert S. war durch einen bodenlangen Gummivorhang von den Nachbarliegen getrennt. Links neben ihm lag Gertraud W., eine rüstige Dame Ende siebzig, die mit einem offenen Knochenbruch zu uns gebracht worden war.
    Frau W. war in ihrer Wohnung gestürzt und hatte sich den Unterarm so unglücklich gebrochen, dass Elle und Speiche aus der Haut hervorragten. Kein schöner Anblick, besonders nicht für die alte Dame, die sich nach der ersten Aufregung aber schnell wieder gefangen hatte. Wer den Krieg überstanden hatte, der überstand auch einen Armbruch, hatte sie mir tapfer erklärt.
    Sie hatte bereits ein Mittel gegen die Schmerzen bekommen und wartete nun auf den Chirurgen, der sich erst um ein schwerstverletztes Unfallopfer kümmern musste. Wenn Hochbetrieb in der Notaufnahme herrscht, müssen die leichteren Fälle warten. So ist das leider.
    Da Frau W. nicht mehr an Schmerzen litt und ihr Kreislauf stabil war, trug sie die Wartezeit mit Fassung.
    Â»Zu Hause wartet ja keiner auf mich«, sagte die verwitwete Frau. »Isch verpass ja nix.«
    Munter verwickelte sie mich immer wieder in ein Schwätzchen, während ich mich um die anderen Patienten kümmerte. Dabei achtete sie penibel darauf, dass ihr Blick nicht auf den Bruch fiel, der mit einem sterilen Verband abgedeckt war. Die Angst vor

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