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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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hervorrufen können, dann sagt das wohl eine ganze Menge über die betreffende menschliche Psyche aus.
    Manchmal trifft also auch eine halb verwirrte, ältere Patientin voll ins Schwarze.

3
Bloß keine Berührungsängste! – Hygiene – die große Unbekannte
    I n einer Notaufnahme hat man an jeder Ecke mit dem Stichwort »Hygiene« zu tun. Schließlich handelt es sich um einen Ort, an dem menschliche Ausscheidungen jeglicher Art an der Tagesordnung sind. Um Bakterien und Infektionen vorzubeugen, muss daher stets überall penibel auf Sauberkeit geachtet werden. Was nicht immer einfach ist, da die unzähligen Patienten natürlich ebenso unzählige Bakterien mitbringen. Erst recht, wenn diese ihre persönliche Pflege ein bisschen vernachlässigt haben.
    Darüber, wie die ideale Körperpflege aussehen sollte, gibt es nämlich sehr unterschiedliche Auffassungen. Während sich manche Menschen täglich zweimal duschen – was unter uns gesagt eher schädlich als nützlich ist –, gehen andere ganze zweimal im Monat unter die Brause – was dann eher ziemlich ekelig ist.
    Für eine solche mangelhafte Hygiene gibt es verschiedene Ursachen. Ich kenne Patienten, für die die tägliche Körperpflege aus gesundheitlichen Gründen eine so große Anstrengung darstellt, dass sie es einfach nicht jeden Tag schaffen. Wenn Sie rund zwei Stunden für Ihre Morgentoilette brauchen und danach fix und fertig und auch schon wieder nassgeschwitzt sind, dann überlegen Sie es sich dreimal, ob Sie sich wirklich jeden Morgen waschen wollen.
    So etwas gilt nicht nur für alte und gebrechliche Menschen, auch Suchtpatienten haben häufig keine Kraft, auf ihre Hygiene zu achten. Bei ihnen dreht sich das gesamte Leben ausschließlich um die Sucht und die Beschaffung neuer Rauschmittel, alles andere haben sie aus ihrem Blickfeld verloren.
    Gerade bei Drogenabhängigen kann mangelnde Körperhygiene allerdings gravierende Folgen haben. Kommt Schmutz in die Einstichstelle, können sich Abszesse bilden, die im schlimmsten Fall lebensgefährlich sind.
    Und dann gibt es noch die Patienten, die gar nicht genau wissen, wie richtige Körperpflege aussieht. Sie haben es schlicht nie gelernt und haben einfach keine Ahnung, wo man sich überall waschen sollte.
    Zu ihnen gehörte auch Hartmut B.
    Hartmut B. legte Zeit seines Lebens viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Der alleinstehende Mann hatte die siebzig inzwischen überschritten und war seit vielen Jahren Rentner, doch wenn er das Haus verließ, dann tat er dies stets noch im Anzug. So war er sein Leben lang morgens ins Büro gegangen, und so wollte er auch weiterhin durchs Leben gehen.
    An einem heißen Samstagnachmittag im August erschien er in diesem Aufzug mitsamt Krawatte bei uns in der Notaufnahme.
    Er habe Probleme beim Wasserlassen, sagte er. Er könne den Druck kaum noch aushalten, und obwohl er ständig zur Toilette müsse, flössen immer nur ein paar kleine Tröpfchen. Herr B. erklärte mir, dass die Schmerzen wirklich schlimm seien und dass er befürchtete, dass es »da unten« auch ganz schön entzündet sei.
    Â»Wie lange haben Sie die Beschwerden schon?«, fragte ich ihn.
    Â»Schon länger«, bekam ich zur Antwort. »Bestimmt schon ein paar Wochen.«
    Ich vermutete eine Prostatavergrößerung und bat ihn in eine der Behandlungskabinen.
    Â»Machen Sie sich unten rum schon mal frei«, sagte ich ihm. »Der Urologe kommt gleich.«
    Während ich Dr. Uwe M. anrief, begann Hartmut B., sich auszuziehen. Als er seine gepflegte Anzughose herunterließ, kam eine deutlich weniger gepflegte Unterhose zum Vorschein: ursprünglich vielleicht irgendwann mal weiß, war sie an gewissen Stellen mittlerweile bräunlich und gelblich verfärbt.
    Â»Sie müssen Ihre Wäsche mal wieder wechseln«, meinte ich freundlich und versuchte, ab sofort nur noch durch den Mund zu atmen.
    Â»Ich wechsele meine Wäsche regelmäßig!«, erwiderte Herr B. mit Nachdruck, und ich fragte mich, was er wohl darunter verstand. Alle vier Wochen vielleicht? Oder alle acht?
    Dann ließ Herr B. seine Unterhosen runter, und von da an hatte ich keine Fragen mehr, was sein Verständnis von regelmäßiger Körperhygiene anbelangte. »Außen hui und innen pfui« schien Herr B.s Motto zu sein, wonach er in erster Linie die Stellen seines

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