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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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kam es. Was antwortet man einem Richter auf diese Frage? Mrado mochte den Typen irgendwie. Gleichzeitig spürte er: Es war unsinnig, sich mit einem Gesetzesfanatiker wie ihm auf ein Gespräch einzulassen. Wenn er Wind von Mrados Business bekam, würde das Ganze verdammt peinlich werden.
    »Ich arbeite mit Teak.« Dachte: Ich erzähl das Übliche – betreib ja schließlich auch son Unternehmen. Setz zwar weniger als hunderttausend im Jahr damit um, aber nichtsdestotrotz, der perfekte Deckmantel.
    »Bist du Tischler?«
    »So ungefähr. Ich importiere hauptsächlich.«
    Mrado wollte plötzlich möglichst schnell das Gespräch beenden, nicht mehr lügen müssen. Er steckte das Handymagazin in seinen Kundenkorb. Machte Anstalten, in Richtung der Kassen zu gehen.
    »Martin, schön dich getroffen zu haben, aber ich muss gehen. Meine Tochter abholen.«
    Martin lächelte. Zog seine Kappe wieder tief in die Stirn. Sah trendy aus.
    Sie schüttelten sich die Hand. Mrado stellte sich in die Schlange vor der Kasse. Dachte: Der Typ verurteilt jeden Tag Leute wie mich. Wenn der wüsste.
    Martin verschwand in das Innere des Ladens.
    Mrado konnte nicht abschalten. Wenn er es nun bereits wusste. Wenn er nur höflich gewesen war. Verdammt, man sollte wirklich aussteigen. Der eigenen Sicherheit wegen. Lovisa wegen.
    Gleichzeitig mahnte eine andere Stimme in ihm: Wer bist du denn noch, wenn du einfach aufhörst? Was bist du, wenn du nicht mit Radovan abrechnest? Eine Null.
    Martin hatte bis zur Neunten in derselben Straße gewohnt wie Mrado. Danach war er in eine bessere Gegend nördlich der Stadt gezogen.
    Er erinnerte Mrado an die Schulzeit. Mrado war mit seinen Eltern nach Schweden gekommen, als er drei Jahre alt war. Arbeitskrafteinwanderung. Saab-Scania. In Södertälje brauchte man Leute. Ein paar Jahre zuvor hatte Schweden den Visumzwang für Jugoslawen aufgehoben. In Södertälje wimmelte es nur so von Griechen, Finnen, Italienern, Jugos. Später fielen die Syrer und die Türken ein. Zu der Zeit hielten die Jugos noch zusammen. Kein Unterschied zwischen Serben, Kroaten und Bosniern. Tito war ihr gemeinsamer Held. Wie sehr sie sich doch getäuscht hatten. Wie naiv sie waren. Gutgläubig. Hatten geglaubt, man könne den Kroaten und Bosniern vertrauen. Heute – Mrado würde nicht einmal auf einen Bosnier pissen, selbst wenn er schon abgefackelt war.
    Das Ganze nannte sich Millionenprojekt. Und alle arbeiteten hart. Mrado auf seinem Gebiet: Jeden Tag schlug er jemanden zusammen oder wurde von anderen zusammengeschlagen. Sie waren immer aggressiv, bewaffnet. Viele. Er biss die Zähne zusammen. Erzählte nie etwas zu Hause. Wetzte die Krallen. Lernte Schläge einzustecken. Lernte vor allem, Schläge auszuteilen. Shootfighting auf Basic-Niveau – Tritte gegen Schienbeine, Schläge in den Magen, Beißen, Kratzen, immer auf die Augen zielend. Er war schon damals ein Meister der fiesen Tricks im Fighten gewesen. König der rohen Gewalt. Hatte sich in Södertälje einen Namen gemacht.
    Er wurde respektiert. Zog sein eigenes Ding durch. Keiner stellte sich ihm in den Weg. Als er mit der Neunten fertig war, traf er nie wieder jemanden aus seiner Grundschule. Stattdessen machte er eine Ausbildung zum Elektrotechniker an der firmeneigenen Berufsschule von Ericsson am Telefonplan. Sprang im zweiten Lehrjahr ab und begann als Türsteher zu jobben. Dann ging’s auf der Karriereleiter der Jugomafia geradewegs nach oben. Und jetzt war er kurz davor, die Spitze zu erreichen.
    Mrado schaute hinunter auf die Kassiererin. Dachte: Wenn er ein richtiger Vater gewesen wäre, hätte er eine ICA -Karte besessen. Stattdessen nahm er sein Scheinbündel zur Hand. Blätterte die Hunderter hin.
    Die Kassiererin machte sich nichts draus.
    Er sah, wie Martin sich an der Kasse anstellte.
    Guckte weg.
    ***
    Bericht
    (Geheimhaltung gemäß Kap. 9 §  12 Geheimhaltungsgesetz)
     
    KOMMISSARIAT DER KRIMINALPOLIZEI STOCKHOLM GEGEN ORGANISIERTE KRIMINALITÄT » PROJEKT NOVA «
     
    Balkanbezogene Kriminalität in Stockholm
     
    Bericht Nr. 9
     
    Hintergrund
    Der folgende Bericht gründet sich auf Vermerke und Verdachtsmomente, die das Fachkommissariat für Bandenkriminalität und das Fachkommissariat für Wirtschaftskriminalität Norrmalm (nachfolgend Ermittlungsgruppe genannt) im Rahmen deliktübergreifender Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität in Stockholm erhoben haben. Die Methoden, die dabei angewandt wurden, umfassen die Bestandsaufnahme der von

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