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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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abgestochenes Schwein. Wand sich vor Schmerzen. Wachsamkeit gleich null.
    Jorge lief auf die Mauer zu. Brachte sich in Position.
    Wartete.
    Erblickte, was er schon so lange vorbereitet hatte – das obere Ende einer Aluminiumleiter wurde über der Mauer sichtbar, von der anderen Seite kommend.
    Sergio, der Retter, hatte seine Instruktionen befolgt. War so nahe wie möglich rangefahren, hatte den Wagen dort abgestellt, wo der Wald endete und das abgeholzte Areal am schmalsten war. War die letzten Meter gelaufen, hatte die Leiter an der Außenseite der Mauer an der ausgemachten Stelle platziert. Genau am richtigen Ort. Zum richtigen Zeitpunkt. Auf die Sekunde genau. Phantastisch.
    Jorge nahm sein Seil zur Hand. Er hatte es zusammengerollt in der Hosentasche stecken. Befestigte den Haken, den er aus dem Ring eines Basketballkorbs geformt und für dessen Abhängen er teures Geld bezahlt hatte. Hatte das Metallstück mit Hilfe von Rolando gerade mal eine Stunde zuvor zurechtgebogen.
    Stellte sich genau gegenüber der Leiter vor der Mauer auf. Schaute nach oben. Er hatte den Abstand berechnet, so gut es ging.
    Schätzte das Gewicht des Hakens ab. Wog ihn in der Hand. Dieser Moment war der einzige, den er nicht im Voraus hatte planen können. Alles hing letztlich daran, dass er den Haken an der obersten Sprosse der Leiter einhaken, und sie dann über die Mauer auf seine Seite ziehen konnte.
    Er zielte und warf. Das Seil beschrieb einen Bogen in der Luft. Legte sich über die abgerundete Mauerkrone. Verfehlte die obere Leitersprosse knapp. Er bewegte das Seil ein wenig zur Seite. Hoffte, dass er den Haken ein Stück weiter unten einhaken könnte. Spürte keinen Widerstand. Scheiße. Zog noch einmal. Kein Widerstand. Er riss am Seil. Der Haken fiel auf der Innenseite der Mauer zu Boden. Verdammte Pisse. Er stürzte los. Hob ihn auf und brachte sich wieder in Position. Die Leiter stand noch auf der anderen Seite, das obere Ende war deutlich zu sehen. Der Weg nach draußen. Diesmal musste er treffen. Warf erneut. Komm schon. Ein metallenes Geräusch. Hatte er diesmal getroffen? Er versuchte das Seil einzuholen. Da. Widerstand. Der Haken hatte sich irgendwo eingehängt – es war die Leiter. Er zog vorsichtig. Es funktionierte. Er begann zu ziehen. Zog stärker. Die Leiter quietschte. Jetzt war mehr als die Hälfte oberhalb der Mauer zu sehen. Er zerrte am Seil; obwohl sie aus Aluminium war, besaß sie ein ziemliches Gewicht. Schließlich fiel sie auf der Innenseite zu Boden. Im Hintergrund hörte er Schreie. Er drehte sich um. Sah den Bullen sich wieder aufrappeln. An seinem Walkie-Talkie herumfingern. Jorge bewegte sich schnell. Stellte die Leiter gegen die Mauer. Blick über die Schulter. Der Bulle lief in seine Richtung. Jorge kletterte, so schnell er konnte, hoch. Fand sicheren Halt. Wog zum Glück nicht viel. Hatte Kraft in den Armen. War schließlich oben angelangt. Schaute runter, zurück – mehrere Aufseher in voller Aktion. Er trat die Leiter weg. Sie fiel hinunter ins Gras. Er ließ sich an der Außenseite der Mauer runter. Ließ los. Sprang. Eine Fallhöhe von fünf Metern. Harte Landung. Asics 2080 Duomax mit Gelkissen im Fersenbereich – der eine Fuß nahm es ihm dennoch ziemlich übel.
Mierda.
    Er rannte, was das Zeug hielt. Gut, dass er im Moment nur siebenundsechzig Kilo wog. Das Adrenalin schoss ihm in die Adern. Der Waldrand kam ihm wie eine Fata Morgana vor.
    Die Karte vor seinem inneren Auge. Sein Fuß tat höllisch weh. Den Fokus auf Ort Nummer zwei gerichtet. Spürte den Schweiß am Rücken herunterrinnen. Hörte sich selbst keuchen. Wurde ziemlich kurzatmig. Verdammt, was war mit seiner Form los? Entspann dich. Lass die Schultern locker. Finde dein Tempo. Konzentrier dich auf die Atmung.
    Erinner dich: Du hast garantiert die beste Form seit langem. Die beste Kondition von allen Knackis. Bist der Smarteste.
For real.
Fuck auf den kaputten Knöchel.
    Renn um dein Leben.
    Durch das Waldstück. Den schmalen Schotterweg entlang.
    Sergio müsste inzwischen längst über alle Berge sein.
    Völlig durchnässter Rücken. Mitten in der Hetze ein Gedanke an seinen Schweiß. Sein Geruch: stark, beißend, gestresst.
    Weiter den Schotterweg entlang.
    Niemals nachlassen.
    Und dort stand der Wagen. Sergio hatte ihn genau an der ausgemachten Stelle geparkt. An Ort Nummer zwei. Du schöne neue Welt. Jorge hörte aus der Entfernung Sirenengeheul. Sprang ins Auto. Der Schlüssel steckte im Schloss. Er legte einen

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