Spuk in Pompeji
auch andere in der Straße haben diesen Geist gesehen«, rief Papila aufgebracht. »Weiß mit glühenden Augen!«
»Papila! Schluss jetzt!«, donnerte die Stimme des
pater familias
durch den Raum.
Die Sklavin zuckte unter dem»Schluss jetzt!« erschrocken zusammen und blickte den Bäcker ängstlich an.
»Noch mehr davon und ich werde dich bestrafen müssen!«
Papila duckte ihren Kopf tief nach unten.
»Bin jetzt ganz still, Herr. Nur die Angst macht mich …«
»Schluss! Keinen Ton mehr!«, fuhr Marcus Mesonus sie an.
Während der Bäcker noch seine Sklavin zurechtwies, reifte in Aemilius ein Plan. Er würde der ganzen Sache selbst nachgehen. Zusammen mit seinem Freund Marcellus. Gemeinsam würden sie sich umhören, ob auch andere das seltsame Gespenst gesehen haben wollten. Und dann würden sie herausfinden, was wirklich hinter der Sache steckte.
Plötzlich wusste er, was ihn an den Berichten störte: Was war das für ein merkwürdiges Gespenst, das in einem einzigen Satz über die Mauer verschwand, anstatt sich einfach in Luft aufzulösen?
»Ich gehe jetzt wieder an die Arbeit«, erklärte sein Vater, nachdem er vier, fünf Bissen in sich hineingestopft hatte. »Und was euch Angsthasen hier angeht …« Er warf seiner Tochter und vor allem der Sklavin einen amüsierten Blick zu. »Bei den nächsten
lemuria
, dem Fest zu Ehren der Totengeister, werde ich die Riten zur Vertreibung von umherirrenden Toten in und um unser Haus noch intensiver als bisher durchführen. Nur damit ihr endlich beruhigt seid, denn wirklich nötig erscheint mir das nicht.«
›Und ich werde meiner Schwester beweisen, dass das, was auch immer sie gesehen haben will, alles Mögliche gewesen sein mag, aber kein Gespenst‹, dachte Aemilius.
Er stand eilig auf, damit Aemilia ihm nicht folgte, und lief hinaus auf die Straße. Die lange Via Abundantiae mit ihren zahllosen Geschäften, Schenken, Weinstuben und reichen Bürgerhäusern war eine beliebte Gegend in der Stadt.
Aemilius hüpfte über drei Trittsteine hinweg auf die gegenüberliegende Straßenseite. Große Lastkarren rollten an ihm vorbei. Ihre eisenbeschlagenenRäder hatten im Laufe der Zeit tiefe Rinnen im Boden hinterlassen.
Aemilius blieb kurz stehen. Mit einer Hand wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Das Wetter im August war heiß und schwül. Eigentlich hätte er um diese Tageszeit lernen müssen, doch der Schulunterricht bei Marius Amandus fiel aus, weil der Lehrer erkrankt war. Man munkelte, der Magister würde sich viel zu häufig in der Weinschenke des Euxinus aufhalten, aber das war nichts als ein Gerücht.
Aemilius sollte es recht sein, zufrieden eilte er an der bekannten Walkerei des Stephanus vorbei, wo altes Tuch gewaschen und Wolle veredelt wurde, und bog wenig später in die etwas weniger belebte Via Stabiana ein.
Marcellus wohnte gegenüber den bekannten Thermen in dieser Straße. Seine hübsche Schwester Carilla, die einen Schmollmund hatte wie keine Zweite, war mit Aemilia gut befreundet. Vermutlich würden sich die beiden Mädchen, sobald sie aufeinandertrafen, in ihrer Angst vor mit Ketten rasselnden Gespenstern gegenseitig zu übertreffen suchen.
Aemilius meinte, Carilla und Aemilia bereits schnattern zu hören, als er sich dem Haus des Freundes näherte. Gaius Rufus, der Vater von Marcellus und Carilla, war Mosaikleger, was viel Geschick, Kreativität und ein gutes künstlerisches Auge voraussetzte. Sein Haus war der beste Beweis seiner Kunstfertigkeit.
Aemilius freute sich auf Marcellus, denn zu zweit kamen sie auf die tollsten Ideen. Er selbst war einen halben Kopf größer als sein Freund, obwohl sie beide gleich alt waren. Darauf legte Aemilius viel Wert, denn die Soldaten des Kaisers waren fast ausnahmslos große Männer und zu ihnen wollte Aemilius später einmal gehören.
Aemilius und Marcellus liebten Scherze jeder Art und besonders liebten sie es, Aemilia und Carilla zu necken. Und nach dem, was letzte Nacht vorgefallen war, würde sich mit Sicherheit etwas finden lassen, mit dem sie die beiden Mädchen tüchtig erschrecken konnten.
Marcellus empfing ihn bereits in der Tür.
»Wenn die beiden Schnattergänse gleich zusammen sind, müssen wir uns unbedingt einen feinenScherz mit herrlich schrecklichen Totengeistern überlegen. Wenn Aemilia nach dieser Nacht auf irgendwelche herumgeisternden Lemuren trifft, macht sie das garantiert völlig fertig«, raunte Aemilius seinem Freund zu und grinste breit.
Aber der Freund
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