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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erschuf, waren wir Kinder. Seine Gesetze sind Zeugnis davon. Die ersten Gesetze handelten von der Moral – die Gesetze von Hamurabi, Moses, Konfuzius. Sie schufen die Regeln, nach denen wir unser Leben ausrichteten. Nunmehr sind wir erwachsen, und Gott enthüllt uns immer erstaunlichere Gesetze – die Gesetze der Physik, der Astronomie und der Welt der Quantenmechanik. Wir erfahren jeden Tag aufs Neue, dass der Wissenschaft große Entdeckungen gelingen. Gott bereitet uns auf einen Paradigmenwechsel von ungeahntem Ausmaß
vor. Wir stehen an der Schwelle zu dem, was wir Wunder nennen.
    Philo staunte immer wieder aufs Neue darüber, dass Lenore sich auf Gott beziehen konnte, obwohl sie den Alexandriern angehörte und die Alexandrier nicht an die Existenz Gottes glaubten. Aber auch das gehörte zu ihrer Komplexität. Sie war fasziniert von der Erfahrung und dem Phänomen der Luminanz, und ihre Ausstrahlung schlug jeden unwillkürlich in ihren Bann.
    Philo warf das Buschhorn-Manuskript auf den Couchtisch. Dies war nur ein weiterer vergeblicher Versuch, eine weitere Enttäuschung auf seiner Suche. Seine letzte Hoffnung ruhte nun auf dem
Stern von Babylon.
    Er nahm den Scotch wieder zur Hand, der bernsteinfarben in seinem Glas schimmerte.
     
     
    Batseba. All die Jahre hindurch hatte er sie als Hindernis betrachtet.
    Damals hatten die Leute sich vor Philos Mutter gefürchtet. Nicht etwa, weil sie die einflussreichste Gastgeberin in den Südstaaten Amerikas war und die Erwähnung oder Nicht-Erwähnung auf ihrer Einladungsliste gesellschaftlichen Aufstieg oder Ruin bedeutete. Nein. Die Leute fürchteten sie, weil sie mit den Verstorbenen sprach. Sie benötigten ihren Trost, wie seine Mutter versicherte. Und Philo war überzeugt, dass die Toten ihr zuhörten. Jedermann hörte auf Batseba.
    Eine eindrucksvolle Frau, deren Ahnenreihe über zweitausend Jahre zurückreichte – ganz im Gegensatz zu der ihres unbedeutenden Gatten, dessen Stammbaum nur bis zur
Mayflower
zurückreichte – und die mit der sprichwörtlichen eisernen Hand regierte. Im Zentrum dieses eisernen Regiments stand ihr einziges Kind: Philo.
    Eigentlich hieß sie ja Jimmynell, doch fand sie diesen Namen zu texanisch und zu albern. Und da sie sich bereits im frühen Alter von acht Jahren dem Wort der Bibel verschrieben hatte und damals schon wusste, dass sie eines Tages eine Frau von Rang und Bedeutung sein würde, hatte sie sich einfach umbenannt in Batseba, wie die Frau von David und Mutter von Salomo. Die Batseba aus der Bibel hatte die Thronbesteigung ihres Sohnes betrieben. So niedrige Beweggründe lagen Batseba fern. Sie hatte weitaus höher gesteckte Ziele für ihren Philo im Auge.
    Schon von frühester Jugend an wurde Philo eingetrichtert, dass er zu etwas Besonderem auserkoren sei. Dabei verwirrte ihn nur eines: Warum gingen seine Eltern jeden Sonntag zum Gottesdienst, wenn sie nicht an Gott glaubten, und warum musste er die Bibel auswendig lernen? Batseba versicherte ihm immer wieder, dass er das eines Tages verstehen werde, und dann, am Tag seiner Einführung in den Orden, verstand er tatsächlich.
    Was nun den Reichtum der Thibodeaus betraf, ließ er sich mit dem Wort groß nur unzureichend umschreiben. Wenn man allein die riesige Eingangshalle des Familiensitzes bedachte, die mit einem Teppich nur aus Pfauenfedern ausgelegt war; die großzügigen Empfangsräume und Esszimmer, die luxuriösen Schlafzimmer; der Ballsaal im dritten Stock, der rund zweihundert Gäste fasste, mit dem Orchester im darunter liegenden Stockwerk. Wurde der Ballsaal nicht genutzt, durfte Philo mit seinem Fahrrad darin herumfahren.
    In jenen Jahren, in den 1930 ern und 40 ern, gab seine Mutter den gesellschaftlichen Ton in Houston an. Was sie bestimmte, wurde sklavisch von allen anderen befolgt. Wenn jemand von Mrs.Thibodeau nicht empfangen wurde, wurde er auch anderenorts nicht empfangen, egal wie reich und vornehm er war. Ihr Hauptkriterium für derlei Weihen lautete: »Der Reichtum der Familie muss drei Generationen zurückreichen.« Auf diese Weise sortierte sie elegant alle Neureichen aus.
    Philo verbrachte seine Jugend zwischen rauschenden Festen und dunklen Séancen, er sah Damen in eleganten Ballroben Walzer tanzen und schwarz gewandete Witwen mit den Verstorbenen sprechen. Wo einmal in der Woche Gäste in prunkvoller Abendgarderobe flanierten, wurden anderentags trauernde Hinterbliebene eingelassen. Der junge Philo bewegte sich zwischen diesen so

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