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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gegensätzlichen Welten im Kielwasser seiner Mutter, die ihm wie ein gewaltiges Schiff vorkam, das, einer ›Titanic‹ gleich, die Meere durchpflügte. Falls sie ihm je Furcht einflößte, war er sich dessen nicht bewusst. Wenn sie ihn in ihrem großen Himmelbett zwischen seidenen Laken zum Schlafen bettete, herzte und küsste, ihm über das Haar strich und ihm immer wieder versicherte, dass er etwas Besonderes, Einzigartiges und Kostbares sei, sonnte sich der Drei- oder Zwölfjährige in der Bewunderung seiner Mutter, in der Anbetung seines kleinen unscheinbaren Selbst und fragte sich:
Bin ich das wirklich?
Im Übrigen hatte er mit Erreichen seines dreizehnten Lebensjahres auf einem eigenen Bett bestanden, was ihm, wenn auch frostig, gewährt wurde. Nachdem er mit vierzehn Jahren in die Geheimnisse der Alexandrier eingeweiht worden war, wusste er, dass er tatsächlich etwas Besonderes darstellte. An seinem einundzwanzigsten Geburtstag schloss er sein Studium mit Auszeichnung ab, was ihm neue Zärtlichkeitsbekundungen seiner Mutter eintrug, die ihm ins Ohr wisperte: »Denke immer daran, dass du von königlichem Geblüt bist, mein Sohn. Von königlichem Geblüt.«
    Er war mithin bereit, seinen rechtmäßigen Platz als Oberhaupt der Alexandrier, dem ersten überhaupt in der über zweitausendjährigen Geschichte ihres Ordens, einzunehmen. Mit Lenore Rousseau an seiner Seite.
    Philo war einundzwanzig, als er Lenore zu einem Picknick einlud. Als er Lenore im weichen Sonnenlicht neben sich sitzen sah, schien ihm ein Traum in Erfüllung zu gehen. Er ergriff ihre Hand und machte ihr einen Heiratsantrag.
    Lenore schwieg einen Moment. Dann sah sie Philo an. »Philo, du hast mich auf ein Podest gestellt«, sagte sie. »Da gehöre ich nicht hin. Ich bin doch nur eine Frau mit allen Fehlern und Schwächen. Ich entspreche nicht dem Bild, das du dir von mir machst.«
    Philo hörte kaum, was sie sagte. Ihre Demut und Bescheidenheit machten sie in seinen Augen noch perfekter. Er kniete vor ihr nieder: »Lenore, du bist mein Licht, dein Glanz weist mir den Weg. Lenore, du erfüllst mein ganzes Sein.«
    Sie schüttelte den Kopf und entzog ihm sanft die Hand. »Was willst du von mir?«
    »Ich flehe dich an, sei meine Herzensdame, lass mich dir dienen, dich in meinem Herzen bewahren und mein ganzes Streben dir widmen.«
    »Philo, ich werde heiraten.«
     
     
    Die Welt wechselte die Farben – das Grün wurde grau, der blaue Himmel weiß, aber Philos Seele brannte rot. Auch die Geräusche veränderten sich und der Boden schien zu schwanken, als hätte diese zauberhafte Studentin der Physik unumstößliche physikalische Gesetze außer Kraft gesetzt. Lenore und ihre umstrittene Quantentheorie: »Mathematische Gleichungen werden Gott offenbaren.«
    »Ist er Physiker?«, hatte Philo gefragt, wie er sich später, als alles vorbei war, erinnerte. In seinem Innersten glimmte ein Feuer auf, zuerst nur ein Funke wie von einem Feuerstein geschlagen. Aber nun flammte es auf, angefacht von den Stürmen, die durch seine Seele fegten. Es interessierte ihn überhaupt nicht, ob der Mann Physiker war. Er wusste nicht einmal, warum er gefragt hatte.
    »Er studiert Orientalistik. Er heißt John Masters.«
    Nun schlugen die Flammen hoch. Der Mann hatte Gestalt gewonnen, er wurde real. Er schaute auf die Reste ihrer Sandwiches, auf die Olivenkerne, die Orangenschalen und die leeren Sodaflaschen – Zeugnisse ihres gemeinsamen Mahles. Er wusste mit einem Schlag, dass er nie wieder im Beisein eines anderen Menschen würde essen können.
    »Bitte wünsch mir Glück«, sagte Lenore. In ihren so betörenden violetten Augen lag ein bittender Ausdruck.
    »Ich wünsche dir Glück«, hatte er erwidert, denn das hätte Robert E. Lee auch gesagt. Ein Gentleman zeigte niemals niedrige Regungen, und schon gar nicht einer Dame gegenüber.
    Er hatte verloren und würde sein Schicksal mit Anstand tragen, wie es der große Verlierer Lee auch getan hatte.
    Aber auf dem Heimweg in seinem Alfa Romeo, den er für sein
Magna cum laude
bekommen hatte, brannte ein gefährliches Feuer in ihm. Es brannte nicht aus Wut, Hass oder Enttäuschung, sondern aus dem unmittelbaren Bedürfnis heraus, Lenore zu treffen. Sie zu verletzen. Ihr den Schmerz zuzufügen, den sie ihm angetan hatte. Aber das konnte er nicht! Mochte sie auch Schuld an dem Inferno in seiner Seele haben, er konnte sie deswegen nicht strafen, seine makellose, schuldlose Lenore.
    Aber das Feuer, das in ihm loderte,

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