Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
ahnend, dass sie fotografiert wurden. Ein kurzer Blickwechsel, auf einen Fotofilm gebannt. Oberflächlich gesehen: Ungeduld, Verärgerung über die Präsenz des anderen. Aber dahinter erkannte Philo ein Verlangen, ein so elementares Gefühl, von dem nicht einmal die Beteiligten etwas ahnten. So musste er selber geschaut haben, bevor er sich seine Liebe zu Lenore eingestand.
    An jenem Tag, da sich sein Schicksal entschied …
     
     
    Als er sie im Fluss stehen sah, dachte Philo zunächst, sie sei nackt. Doch als er näher kroch, bemerkte er, dass sie ein knöchellanges Gewand trug, das eng anlag und so hell wie ihr Teint war. Sie badete auch nicht, sie schöpfte das Flusswasser mit den Händen hoch über den Kopf und ließ es durch die Finger rieseln. Die Tropfen blitzten wie Diamanten. Eine geisterhafte Erscheinung mitten im Wald, die Diamanten aus dem Wasser schöpfte und in den Wind streute.
    Als er noch näher heranrobbte, sah er kleine Brüste, schmale Hüften, lange Haare und lange Beine. Er schätzte sie auf sein Alter, fünfzehn. Ihre Schönheit faszinierte ihn, doch eine innere Stimme warnte ihn, dass sie ihn nicht sehen durfte. Obwohl er zu einer reichen Familie von hohem gesellschaftlichen Rang gehörte, pflegten die Mädchen von Houston Philo links liegen zu lassen, weil er klein und pummelig war und zu viele Sommersprossen hatte. Eine derartige Abfuhr von so einem wunderbaren Geschöpf würde er nicht ertragen. Doch dann trat er versehentlich auf einen dürren Ast, ihre violetten Augen durchforschten die Dunkelheit, fanden ihn und hielten ihn fest.
    »Hallo«, sagte sie.
    Er trat hervor. »In diesen Wäldern spukt es.«
    »Ich weiß. Das Wasser fällt nicht richtig. Ich glaube, dass die physikalischen Gesetze hier nicht gelten.« Sie wurde rot. »Ich möchte einmal Physikerin werden.«
    Philo musste schlucken. Sie schrieben das Jahr 1948 , und Mädchen dachten eigentlich nicht daran, Physiker zu werden. Auch wenn sie hätte Bergarbeiterin werden wollen – Philo war einfach hingerissen.
    Er wusste, wer sie war: Lenore Rousseau. Ihr Vater war ein Mitglied der Alexandrier, dessen Abkunft ebenso weit zurückreichte wie die Philos.
    »Wir mögen wohl eine demokratische Gemeinschaft sein«, hatte Philos Mutter ihm stets eingeschärft, »in der kein Mitglied über dem anderen steht. Dennoch können nur wenige Mitglieder ihren Stammbaum bis zu den Anfängen des Ordens zurückverfolgen wie wir, dreihundert Jahre bevor die Priester ins Exil getrieben wurden. Du bist der direkte Nachkomme des Hohepriesters Philos und der Prinzessin Artemisia, und vergiss nie, Philo, dass du einen höheren Stand hast als die anderen.«
    Lenore war zum ersten Mal an diesem Ort, es ging um ihre Initiation. Philo, der im vergangenen Sommer an seinem vierzehnten Geburtstag initiiert worden war, antwortete stolz auf ihre Frage nach dem Ablauf des Rituals. »Eigentlich ist es ganz einfach«, meinte er, wobei sich seine knabenhafte Stimme wiederholt überschlug, als er den Blick dieser wunderbaren violetten Augen auf sich spürte. »Ein wenig Fasten und Meditieren, ein paar Fragen und dann das Treuegelübde.« Danach wurde der Novize in das okkulte Wissen der Ahnen eingeweiht und mit der Mission der Alexandrier vertraut gemacht. Aber diesen Teil erwähnte Philo nicht. Zuerst musste sie ihr Gelübde abgelegt haben.
    Lenore schaute auf die kleinen Wellen, die ihre Füße umspielten, und stieß einen kleinen Schrei aus. »All diese Steine. Ich werde es nie zurück ans Ufer schaffen!« Zwei Fuß entfernt.
    Philo reichte ihr die Hand, und der Blick ihrer wunderbaren Augen fuhr ihm in das wild schlagende Herz und geradewegs in die Seele. »Du bist so galant. Mein edler Ritter.«
    Sie legte ihre kühle, glatte Hand in seine verschwitzte, pubertäre Pranke und er geleitete sie ritterlich aus dem Wasser ans Ufer. Sie so zart und ätherisch, so elfenhaft mit ihrem langen gelockten Haar, die rosigen Brustwarzen unter dem fließenden Gewand deutlich sichtbar, er dagegen plump und unbeholfen, ein Trampel mit breitem texanischen Akzent.
    Sie hatte ihn weder ausgelacht noch ignoriert. Sie hatte ihn galant genannt. Und in diesem Augenblick hatte Philo sich geschworen, sich ihrer sein ganzes Leben lang als würdig zu erweisen.
    In den folgenden Jahren wuchs Philo noch ein wenig, aber leider nur ein paar Zentimeter. Als Ausgleich für seine mangelnde körperliche Größe kultivierte er seinen Stil, nur, wem sollte er nacheifern? Sein Vater war ein

Weitere Kostenlose Bücher