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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verschlossener Mann, den Philos dominante Mutter nur seines Geldes und seiner Genealogie wegen geheiratet hatte, ein Mann, der sich mit Hingabe seiner Briefmarkensammlung widmete und seine Frau vernachlässigte. Kein gutes Vorbild für einen heranwachsenden Knaben.
    Er fand sein Ideal in Robert E. Lee, dem großen General der Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg, der einst als schönster Mann des Südens und wahrer Gentleman gegolten hatte.
    Obschon Lee den Krieg verloren hatte, hegte er keinen Groll. Im Gegenteil, er bewies seinen Landsleuten beispielhaft, wie man die Schmach vergessen und mit der Gründung eines vereinigten Amerika beginnen konnte. Mit seinem ritterlichen Verhalten setzte er höchste Maßstäbe. Mäßigkeit, Selbstbeherrschung, Pflichtbewusstsein, Aufrichtigkeit, Rücksichtnahme, Tapferkeit, eine respektvolle Haltung gegenüber Frauen, Ehrgefühl und eine tiefe religiöse Überzeugung waren die Tugenden, die für ihn den wahren Gentleman auszeichneten. Diesen Ehrenkodex des Robert E. Lee machte Philo sich zu Eigen und richtete sein ganzes Leben danach aus. Selbst in späteren Jahren, da er gezwungenermaßen töten musste, tat er das voll Mitgefühl und Respekt für seine Opfer und in der Überzeugung, dass sie vor Gott in einem besonderen Licht stehen würden.
    Und da Robert E. Lee der ›letzte edle Ritter‹ genannt wurde und Philo selbst von edlem Geblüt war, nahm er diesen Titel als seinen eigenen an.
    Auf einem Gebiet allerdings ging er mit seinem Idol nicht konform. Lee schrieb:
Es gibt Dinge in der Bibel, die ich womöglich nicht erklären kann, die ich aber als das unfehlbare Wort Gottes ohne Einschränkung akzeptiere und dessen Lehre ich als göttliche Eingebung ansehe.
    Der Irrtum lag darin, dass Gott gar nicht existierte und es dieserhalb auch kein
Wort
Gottes geben konnte.
    Philo feilte an seiner Aussprache und eliminierte für die Südstaaten typische Ausdrücke, er arbeitete an seiner Körperhaltung (durch seinen aufrechten Gang wirkte er größer als er war) und an seinen Umgangsformen. Er kultivierte ein weltmännisches Gebaren und eine liberale Weltanschauung. Er konzentrierte sich ganz auf sein Studium und verdiente sich höchste Auszeichnungen. Und das alles nur für Lenore, seine Waldnymphe mit den violetten Augen, die ihn galant genannt hatte.
    Bis auf die gelegentlichen gesellschaftlichen Anlässe bei Ordensmitgliedern, die auf der ganzen Welt verstreut waren, sahen sie einander wenig nach ihrer ersten Begegnung: Lenore lebte in Kalifornien, Philo in Texas. Und doch beherrschte sie sein ganzes Denken und Fühlen. Was immer er unternahm, jeder Atemzug, den er tat, galt Lenore, und wenn Philo sich die Zukunft ausmalte, sah er Lenore an seiner Seite.
    Da gab es nur ein Hindernis: Batseba Thibodeau.
     
     
    Ein Klingelton zeigte an, dass jemand Einlass in das Wohnzimmer über der Stadt wünschte. Philo stellte seinen Drink beiseite, drückte auf einen Knopf an einer Konsole, und eine der Türen schwang auf.
    Der Mann mit dem Erdbeermal auf der Wange trat ein. »Das ist gerade eingetroffen.«
    »Besten Dank, Mr.Rossi.« Philo strahlte. Das Jacob-BuschhornManuskript, genauestens erfasst und mit einer sorgfältigen Übersetzung versehen. Endlich eine fehlerfreie Textgrundlage. Insofern war Sammy, der Kakadu, nur ein geringes Opfer für so einen hohen Gewinn gewesen. »Schon Neuigkeiten aus Damaskus?«
    »Noch nicht, Sir.«
    Philo wartete, bis die Tür sich hinter seinem Besucher mit einem deutlichen Klicken geschlossen hatte – er hasste unverschlossene Räume –, dann wandte er sich dem Päckchen zu.
    Der Textexperte hatte die Originalpapierfetzen der neuen Abschrift und Übersetzung beigelegt. Noch im Stehen überflog Philo den Text. Bittere Enttäuschung breitete sich in ihm aus.
    Die neue Fassung erfüllte seine Erwartungen in keiner Weise. In dem Glauben, dass Britta Buschhorns englische Übersetzung fehlerhaft sei, hatte er alle Hoffnung auf das deutsche Original gesetzt. Doch in der neuen Abschrift erwies es sich nun als ebenso unvollkommen. Die vermeintlichen Eingebungen wie: »Gott offenbarte mir Seinen Plan …« klangen banal und hoffnungslos profan. Sie waren nicht der visionäre Schlüssel zu einer höheren Wahrheit. Sie hatten nichts von der Intensität, was Lenore ihm einst in einem Brief anvertraut hatte, den er wie einen kostbaren Schatz hütete:
Mein lieber Philo. Wir Menschen sind in all den Zeitläuften der Welt erwachsen geworden. Als Gott uns

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