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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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drängte heraus. Er musste sich davon befreien oder es würde ihn verzehren.
Jemand musste bezahlen.
    Sein Vater hockte wie gewöhnlich über seiner Briefmarkensammlung. Gerade betrachtete er ein quadratisches Stückchen Papier unter dem Vergrößerungsglas, als arbeite er an einem Krebsheilmittel. Sein Vater, der, von Geburt an reich, nie in seinem Leben einen Finger hatte krumm machen müssen, dieser einst so attraktive Mann war nun, nach zwanzig Jahren Ehe mit der dominanten Batseba, ergraut und verwelkt. Er war ein Verlierer.
    Batseba saß in ihrem Séancezimmer und sprach mit den Geistern der Verstorbenen, wobei sie ihnen eigentlich Anweisungen gab, ihnen befahl, geduldig zu sein. Philo hatte sich manches Mal gefragt, warum seine Mutter sich anmaßte, Geistern Befehle zu erteilen. Es musste an ihrer endlos langen Ahnenreihe liegen, dass sie sich praktisch unsterblich wähnte, und dieser Wahn gipfelte offenbar in einer Art selbstgefälliger Anmaßung den Toten gegenüber.
    Philo betrat das große Wohnzimmer und stellte sich vor das Gemälde über dem Kamin. Es war ein eindrucksvolles, Schrecken erregendes Bild: die Alexandrier-Priester flohen vor dem Mob, während im Hintergrund die große Bibliothek brannte. Philo riss an dem Bild, bis der massive Rahmen zu Boden krachte, trat auf das Bild ein und stieß es ins Kaminfeuer. Es tat gut, diese Priester zu treten. Fast blind vor Wut stieß und trat Philo die Priester an Lenores Stelle.
    Die Leinwand fing Feuer. Philo packte das brennende Bild am Rahmen und zog es über den Teppich und durch das ganze Haus hinter sich her, ließ eine Flammenspur hinter sich, entfachte hier und da neue Feuer. Er verriegelte die Tür zu seines Vaters Arbeitszimmer und die Tür zum Séancezimmer, er sah nur noch Flammen, Hitze, überall Feuer. Als die ersten Feuersirenen durch die Nacht schrillten und die Nachbarn angelaufen kamen, irrte er immer noch umher. Er hörte auch die gellenden Schreie, hörte den machtlosen Vater und die rasende Mutter an verschlossene Türen hämmern:
Lass uns raus! Lass uns raus!
    Mit Rauchvergiftung und Verbrennungen zweiten Grades wurde Philo in ein Krankenhaus nach Houston gebracht. In seinem Delirium streifte er durch ein riesiges Haus, das einem Spiegelsaal im Karneval ähnelte und wo er auf die beiden wichtigsten Frauen seines Lebens traf – die Mutter, die ihn mit ihrer Liebe erstickte, und das Mädchen, das ihn verschmähte – die nun zu einer einzigen Gestalt verschmolzen. Die im Fluss badende Lenore war zugleich Batseba, die unter den Augen von König David auf dem Dach ihres Hauses ein Bad nahm. Nach der reinigenden Taufe im Fluss führte Batseba David zu ihrem Himmelbett, wo sie ihn liebkoste und ihm ihre ewige Liebe schwor. Er wandelte mit Jesus.
    Als Philo neun Jahre alt war, hatte Batseba ihn zu einer Erweckungsversammlung in einem alten Sandsteingebäude am Rande der Stadt mitgenommen, wo ein texanischer Hinterwäldler Hölle und Verdammnis über die Köpfe seiner schwitzenden Gemeinde heraufbeschwor. Batseba liebte Erweckungsversammlungen, weil, wie sie erklärte, die Verstorbenen gerne daran teilnähmen (obwohl, wie sie später mit dem Prediger stritt, Gott
nicht
anwesend war). Und während der Prediger sprach, hatte Philo sich gefragt, ob Jesus womöglich in breitem Texanisch gepredigt habe.
    In seinem Koma, als verschmorte Nervenenden unter Spezialverbänden tanzten, Morphium in seinen Venen schwamm und sein Gehirn in einer Fruchtblase aus Betäubungsmitteln und Halluzinogenen dümpelte, traf Philo am See Genezareth auf Jesus und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass er tatsächlich ein breites Texanisch sprach. Und was er zu Philo sagte, war dieses: »Das hast du prima hingekriegt, mein Junge, aber du bist noch nicht fertig. Gott wartet auf dich, nur wird Er nicht ewig warten. Und bevor du gehst, will ich dir noch was über das schnieke Mädchen erzählen, das du heiraten wolltest.«
    Drei Tage lang lag Philo im Koma, und als er erwachte, sagte man ihm, er wäre beinahe gestorben. Sie irrten sich. Er
war
gestorben.
    Und wiederauferstanden.
    Wie Jesus hatte auch Philo den Märtyrertod erlitten, hatte drei Tage lang die niederen Bereiche des Himmels durchstreift, die Hölle und verschiedene Unterwelten und ein paar fremde Länder dazu, und war dann ins Leben zurückgekehrt, um seine große Reise anzutreten.
    Was ihn jedoch von seinem Vorgänger unterschied, erkannte Philo, sobald frische Kraft in seinen Adern pulsierte: Jesus war

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