Spur der Flammen. Roman
Hand!
Gehörte
er
etwa dieser geheimen Bruderschaft an?
Hinter den dunklen Sonnengläsern leuchteten ihre grünen Augen auf und ihre Gedanken überstürzten sich fast. Was für ein unverhoffter Glücksfall! Nun wurde ihr klar, wie wertvoll dieser Brief tatsächlich war – nicht etwa für Philo, sondern für sie. Jessica begehrte Thibodeau. Sie begehrte seine Macht und seinen Wohlstand und wollte daran teilhaben. Nach Sandrines Tod vor drei Jahren hatte Jessica ihre Chance gewittert. Jetzt war Philo Witwer, keine Frau stand mehr im Wege. Doch was immer sie auch anstellte, um ihn zu verführen, es ließ ihn kalt. Jessica ließ sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Aber sie hatte es mit anderen Mitteln versucht und ihn mit dem
Stern von Babylon
geködert. Der Erfolg wiederum hing von Candice Armstrong und Glenn Masters ab. Sollte dieser Plan scheitern, musste ein Reserveplan herhalten.
Und dafür war dieser Brief wie geschaffen.
Jessica schmunzelte in sich hinein. Sie hatte schon vor vielen Jahren ihre Lektion gelernt – und zwar vor ihren Brustimplantaten, vor ihrer Nasenkorrektur, vor ihrer Namensänderung; in jenen Tagen ihrer kleinen Betrügereien, als sie der Polizei immer nur einen kleinen Schritt voraus war – dass der clevere Gauner jederzeit einen Plan in der Hinterhand haben muss. Wenn der erste Trick fehlschlug und der Reserveplan nicht griff, musste Plan C zum Einsatz kommen.
Sie würde Philo kriegen, koste es was es wolle, selbst wenn es dafür einen Mord zu begehen galt.
Kapitel 14
P hilo wusste nur zu gut, dass die Polizei von Los Angeles ihn suchte, um ihn wegen John Masters’ Tod zu befragen. Aber das kümmerte ihn nicht. Sie würden ihn nie finden, und selbst wenn, wäre es zu spät.
Aus seinem rundum verglasten Wohnzimmer war der Himmel zum Greifen nah. Zu dem rund zweitausend Quadratmeter großen Penthouse, dreißig Stockwerke über Houston gelegen, gab es vom Erdgeschoss keinen direkten Zugang. Man gelangte nur über Philos Privatfahrstuhl und die Personalaufzüge nach oben. Philo flog mit dem Hubschrauber ein und aus. Sollte die Polizei, in der Hoffnung ihn zu schnappen, das Gebäude unter Beobachtung stellen, konnte sie lange warten.
Thibodeau trug wieder makelloses Weiß, die einzig geziemende Farbe für einen Gentleman aus dem Süden, wie Philo befand. Sein einziges Zugeständnis an Farbe waren ein blassgelber Krawattenschal und ein passendes Einstecktuch aus Seide.
Auch das Interieur seiner Wohnung – Sofas, Teppiche, Wände, Blumen, ja selbst der gewaltige Couchtisch aus Marmor – erstrahlte in Crème und Weiß. Das perfekte Ambiente für das neu erworbene Gemälde über dem Kamin, in dem ein munteres Feuer prasselte.
Es war eine abstrakte Malerei von transparentem Weiß über topasfarbenen bis gelb changierenden Farbspritzern mit himmelblauen Einsprengseln; perlweißer Schnee mit einem kristallinen Zentrum aus strahlend weißem Licht – das konnte nur eine Darstellung der Luminanz sein. Lenore musste ihr Versprechen John gegenüber gebrochen und ihrem Sohn von dem Geheimbund erzählt haben. Wie sonst hätte Glenn von der Luminanz wissen können? Er besaß Talent, das musste man ihm lassen. Philo hatte sich einmal, während der Detective bei seinem Vater im Krankenhaus weilte, in sein Atelier gestohlen und eingehend alle Gemälde betrachtet, hatte die schrittweise Entfaltung von Glenns Vision verfolgt. Seine späteren Bilder, die Andeutungen eines Gesichtes zeigten, kamen der letzten Wahrheit bereits sehr nahe. Philo wertete das als ein Zeichen. Allmählich fügte sich alles zusammen.
Bald, Lenore, bald …
Er nippte an seinem edlen Scotch. Er befand sich allein in dem riesigen Raum – nur so konnte er den Drink genießen.
Philo trank oder aß nie in Gesellschaft anderer. Keiner sah ihn je schlafen oder intime Dinge verrichten. Derlei Gewohnheiten ziemten sich nicht bei einem Mann mit heiliger Mission. Genau darin hatte Jesus’ Fehler gelegen, dass er mit seinen Jüngern gegessen und getrunken, sie verwirrt hatte, weil sie nicht begreifen konnten, warum der Sohn Gottes Speisen und Wein zu sich nahm. Nicht einmal Philos Frau Sandrine hatte ihn je essen sehen. Sein letztes Mahl in Gesellschaft eines anderen Menschen war das Picknick mit Lenore gewesen.
Jener Tag, der sein Leben für immer verändert hatte.
Er betrachtete das Polaroidfoto, das in der Frühe abgegeben worden war. Glenn Masters und Candice Armstrong an einem Flughafen kurz vor dem Einsteigen, nicht
Weitere Kostenlose Bücher