Spur der Flammen. Roman
sich beide aus handverlesenen Teilnehmern zusammensetzten, aufsteigen konnte. François zog es nicht nur vor, im Hintergrund zu bleiben; dies war auch wichtig für seine
eigentliche
Tätigkeit.
Eine Tätigkeit, von der Interpol nichts wusste.
Als sein Faxgerät unvermittelt zu summen begann, begab er sich erwartungsvoll zu dem Gerät. Was er sich erhoffte, war ein Bericht über Jessica Randolph. Einem Gerücht zufolge war sie hinter einem Brief aus dem elften Jahrhundert her, der kürzlich einem Privatmuseum im australischen Melbourne vermacht worden war. Nicht dass Jessica den Diebstahl selbst ausführen würde; sie war eine Frau, die sich niemals die eigenen hübschen kleinen Hände schmutzig machte. Nein, sie würde sich mit jemandem zusammentun, und François konnte sich gut vorstellen, mit wem.
Aber die Faxmitteilung drehte sich dann doch nicht um die attraktive Kunsthändlerin.
Vielmehr handelte es sich um die Meldung, dass Britta Buschhorn wegen des Diebstahls der Aufzeichnungen ihres Mannes vorstellig geworden sei. Die von ihr informierten Behörden in Frankfurt hatten diese Aufzeichnungen als »zeitgeschichtlich bedeutsam« eingestuft und den Fall an die Internationale kriminalpolizeiliche Organisation mit der Bemerkung »dringend« und »vorrangig zu erledigen« weitergeleitet.
François legte das Fax auf den Schreibtisch und kramte ein Päckchen Gauloises hervor, zündete sich mit einem goldenen Feuerzeug eine weitere Zigarette an, griff nach dem Ausdruck, hielt die Flamme an die Ecke des Schreibens, sah zu, wie es aufloderte, warf es dann in den Papierkorb. Und während François Orléans, durch den jüngeren Bruder von Ludwig XIV ., einem Mitglied der Alexandrier, mit dem französischen Königshaus verwandt, beobachtete, wie sich die Meldung zu Asche verwandelte, funkelte an seiner rechten Hand der Ring mit dem viereckigen Rubin und den goldenen Verzierungen im Schein des Feuers auf.
Kapitel 16
F euer erlaubte ihm sich zu konzentrieren.
Philo fixierte den Flammenkern, um zur Seele der Hitze vorzudringen. Obwohl ihn niemand rundheraus beschuldigt hatte, er habe seine Eltern bei lebendigem Leibe verbrennen lassen, kamen nach der Beisetzung diesbezügliche Gerüchte auf. Es sei doch nicht normal, hieß es, wie ein junger Mann derart von Feuer besessen sein könne. Die verkohlte Leiche eines Bundesbruders, der ihn im Kreise anderer zum Spaß als ›Philo den Pyro‹ tituliert hatte, wurde eine Woche später im verbrannten Wrack seiner 245 PS starken Corvette – einem schwarzen Kabrio mit weißem Verdeck, positronisch gesteuertem Heck und Spinner-Radkappen – aufgefunden. Seither hütete man sich, diesen Spitznamen zu wiederholen.
Außerdem verbrannte Philo niemanden mehr. Sein Weg war der Pfad der Rechtschaffenheit, er folgte einem messianischen Ruf. Eine Spur verkohlter Leichen hinter sich herzuziehen, war da nicht angebracht. Philo ersann andere Methoden, um Menschen zu überzeugen oder auszuschalten, und sein Aufstieg vollzog sich unaufhaltsam.
Feuer stand für ihn jedoch weiterhin im Mittelpunkt, nicht anders als für alle Alexandrier, dieser große, über den gesamten Globus verstreute Bund, dessen Mitglieder neben ihrem Alltag ein geheimes Leben hatten und von einem Eid zusammengehalten wurden, der aus vorchristlicher Zeit datierte. Philo war darauf bedacht, dass in seinen verschiedenen Wohnungen, ob im Kamin oder in Schalen, an Kerzen und Öldochten, niemals das Feuer erlosch, gemahnte es ihn doch an seine heilige Verpflichtung und an den Tag, da er und Lenore Seite an Seite in Gottes verklärendem Licht stehen würden.
Aber hier, in dieser Kapelle, brannte die kostbarste aller Flammen des gesamten Planeten, aller Kerzen in Kirchen und Tempeln und Synagogen und heiligen Stätten, und diese einsame Flamme war die wichtigste und heiligste.
Und hierhin kam er täglich, um Kraft aus ihr zu schöpfen und zu der Frau zu sprechen, die er fast sein Leben lang geliebt hatte und bis in alle Ewigkeit lieben würde.
»Die Menschen haben Angst vor mir, Liebste.« Seine Stimme hallte leise von Marmor- und Glaswänden wider. Die Stimme eines einsamen Mannes unter einer gleißenden Sonne. »Warum nur? Ich bin gütig. Ich bin ein Gentleman. Ich verhalte mich ausnehmend freundlich. Und dennoch fürchtet man mich.«
Verwirrt von der Undurchschaubarkeit der menschlichen Psyche schüttelte er den weiß behaarten Kopf. Es schien, als würde er, je großherziger er sich gab, umso mehr Schrecken
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