Spur der Flammen. Roman
umgehört. Niemand hat sich nach Dschebel Mara erkundigt. Niemand hat einen Wagen mit Fahrer gemietet, um dorthin zu gelangen. Niemand wollte etwas über Baskow und den
Stern von Babylon
wissen.«
»Noch nicht«, bemerkte Candice, die an ihre Verfolger und den brennenden Wagen dachte.
Glenn nickte, er dachte dasselbe.
Er trat zu ihr auf den Balkon und blickte auf die eindrucksvolle Kulisse der Palmen vor dem nächtlichen Himmel, an dem die ersten Sterne erschienen.
Candice wollte sich über die Brüstung lehnen, zog sich aber rasch wieder zurück. »Was ist los?«, fragte Glenn.
»Ich mag keine Höhen.«
»Wir sind nur im ersten Stock.«
»Einer zu viel für mich. Mir wird schwindelig, wenn ich von etwas eine hohe Meinung habe.«
Sie sah ein kurzes, amüsiertes Lächeln über sein Gesicht huschen, dann wurde er wieder ernst. Bestimmt machte er sich Gedanken, wie es weitergehen und wie sie nach Dschebel Mara gelangen sollten. »Wir werden einen anderen Fahrer finden«, erklärte sie lapidar, als bräuchten sie nur ein Taxi zu rufen.
Glenns Gedanken indes weilten woanders. Er stellte sich vor, wie er Candice im Mondlicht malen würde. Dann richtete er seinen Blick wieder auf die Straßenszene vor ihnen.
»Ich war bei der Polizei und habe Meldung über den Wagen gemacht, der uns von Damaskus aus verfolgt hat«, sagte er schließlich. »Ich habe der Polizei unsere Situation erklärt. Man wird ein Auge auf alle Personen halten, die sich nach Dschebel Mara oder dem Stern von Babylon erkundigen. Und man wird Sie morgen früh zum Flughafen begleiten.«
»Was?« Candice warf den Kopf zurück.
Glenn bemühte sich ruhig zu bleiben. »Ich habe der Polizei gesagt, dass ich einen Verbrecher jage und dass Sie in Gefahr sind. Sie wollen, dass Sie diese Stadt so rasch und unauffällig wie möglich verlassen.«
»Sie hatten kein Recht dazu!«
»O doch, allerdings.«
»Ich werde nicht gehen!«
Diese Stimme. Warum nahm sie ihn immer wieder aufs Neue gefangen? Ihrem Aussehen nach müsste Candice eine viel höhere Stimme haben, ein Sopran müsste sich aus dieser schlanken Kehle erheben, wo eine Kamee-Göttin über einer Schnittwunde wachte. Wenn er diesem Klang mit geschlossenen Augen lauschte, stellte er sich eine Frau von kräftiger Statur und reiferen Alters vor, eine Frau ›mit Erfahrung‹, wie der Volksmund sagte, deren rauchiges Singen man nur in schummrigen Bars mit ständig verstimmtem Klavier hörte.
»Ich habe einen Wagen mit Fahrer gemietet«, erklärte er. »Morgen früh breche ich auf.«
»Ich komme mit.«
»Nein.«
»Dann werde ich mir selber einen Wagen besorgen.«
»Und allein losziehen?«
»Ich wollte, als alles anfing, sowieso allein losziehen.« Sie würde es ohne irgendwelche Hilfe oder Unterstützung schaffen. Selbst wenn ihr davor graute. »Hören Sie, wir haben nicht alle Zeit der Welt. Nach dem, was Ihr Vater andeutete, plant Philo irgendeine große Zerstörungstat. Ein Armageddon. Und wenn er nun den
Stern von Babylon
nur als Vorwand benutzt, um die Welt in die Luft zu jagen?«
»Umso mehr Grund für mich, allein zu reisen.«
»Und umso mehr Grund für mich, mitzukommen!«
»Das wird nicht klappen, Dr.Armstrong. Auf Anordnung der Polizei darf Ihnen niemand einen Wagen oder einen Führer vermieten. Wir sind hier in einer Kleinstadt, hier spricht sich alles schnell herum, insbesondere, wenn es von der Polizei kommt.«
»Wie können Sie mich einfach so ausbooten?«
»Ich boote Sie nicht aus. Ich stelle Sie unter Polizeischutz. Ich muss mich allein aufmachen und rasch vorankommen.«
»Das klingt, als sei ich invalide oder ein Mühlstein …«
Er packte sie fest bei den Schultern. »Verdammt, Candice, ich könnte es mir nie verzeihen, wenn Ihnen etwas zustieße! Was glauben Sie, wie viele Tote ich in meinem Leben noch verkraften kann?«
Das brachte sie zum Schweigen. Dieser harsche Ton und dazu dieser flehende Blick. Der Schmuckstein seines Ringes, den er immer nach unten gedreht trug, drückte in ihre Schulter, und sie stellte sich vor, wie sich der Rubin und die golden züngelnden Flammen in ihre Haut brannten, um dort ein dauerhaftes Mal zu hinterlassen.
Eine betretene Stille setzte ein. Als Candice an Glenns Schulter vorbei auf die gespenstisch weißen Marmorsäulen vor ihrem Balkon blickte, entdeckte sie einen Mann inmitten des Säulenwaldes. Mit einem bunten Hawaii-Hemd.
»He!«, stieß sie hervor.
»Was?«
»Da ist er!«, rief sie und war im nächsten Moment
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