Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
ans Licht zu kommen, in den Wind.
Auf dem offenen Platz hinter dem Haus stand das Wasser in Pfützen und reflektierte den unruhigen Himmel. Wir inspizierten als Erstes die große Scheune. Sie hatte früher als Kuhstall gedient, Betonboden, Melkstände, breite Rinnen. Die hintere Tür war weggeblasen, und der Wind drohte, das Dach abzuheben.
Hinter der nächsten Tür sah man alte Ölflecken auf dem festgestampften Lehmboden, wahrscheinlich eine Maschinenhalle, jetzt jedoch leer bis auf unidentifizierbare Metall-teile, die überall herumlagen.
Zwei kleinere Scheunen, eine davon einsturzgefährdet, dienten keinem erkennbaren Zweck. Die große Futterscheune hielt sich noch einigermaßen aufrecht. Drinnen waren zu beiden Seiten Heuballen gestapelt gewesen, mittlerweile jedoch in den Gang gefallen, den sie jetzt bedeckten.
Ich suchte nach Reifenspuren. Hoffnungslos. Es regnete hier seit Wochen. Keine Spur würde sich länger als ein paar Stunden halten.
»Gut«, sagte ich, »das musste erledigt werden. Gehen wir.«
Wir gingen ums Haus, durch ein Wäldchen aus sterbenden Obstbäumen, packten die Waffe weg und verließen die Farm von Garys Tante.
Zwanzig Minuten später, auf dem Highway, sagte Cam: »Die Leute haben da ganz schön aufgeräumt.«
»Wahrscheinlich die Nachbarn«, antwortete ich. »Komisch, dass sie nicht auch den Fiberglastank mitgenommen haben. Das ist das Neueste auf dem ganzen Hof.«
»Gutes Zeug, Fiberglas«, sagte Cam. »Rostet nicht. Vergiftet einen, aber rostet nicht.«
»Dreh um, wir müssen zurück«, sagte ich.
Ohne zu zögern bremste Cam sanft ab, schaltete runter. Innerhalb von zwanzig Sekunden waren wir auf dem Weg zurück zur Farm von Garys Tante.
»Verrat's mir nicht«, sagte Cam. »Ich liebe Überraschungen.«
Als wir den Feldweg zum Haus hinunterfuhren, sagte ich: »Hinten rum. Hast du eine Taschenlampe?«
Cam zeigte aufs Handschuhfach. Ich machte es auf und zog eine schlanke schwarze Taschenlampe heraus. Wir stiegen aus.
»Da oben«, sagte ich. Cams Blick folgte meinem zum Wassertank.
Wir kletterten den kleinen Hügel hinauf, geschüttelt vom Wind, bald schon völlig durchnässt. Ein Trampelpfad führte an dem Einschnitt vorbei, so dass wir schließlich über dem Tank herauskamen und auf sein glitschiges Dach sahen, auf den Deckel einer Einstiegsöffnung.
»Warum?«, fragte Cam.
»Rostiges Wasser aus dem Wasserhahn in der Küche«, antwortete ich.
»Könnte doch von überallher kommen.«
Wir sahen nach unten zum Farmhaus. Zwei rostige Eisentanks standen auf jeder Seite des Hauses.
»Kein Gefälle da unten«, sagte ich und trat vorsichtig auf den Tank, machte ein paar tastende Schritte zum Deckel.
Ich steckte die Taschenlampe in den Mund, kniete mich auf die nasse Oberfläche. Der Deckel hatte eine eingelassene Griffmulde. Ich zog daran, und er ging so leicht auf, dass ich beinahe seitwärts abgerutscht wäre.
Ich stützte die Hände auf den Tank, beugte mich vor und sah in die Öffnung.
Stockfinster. Ein Geruch nach Verwesung.
Ich nahm die Lampe aus dem Mund, fand den Knopf, schaltete sie ein, richtete sie in den Tank.
»O mein Gott.«
Er starrte mich an, lag auf dem Rücken in ein paar Zentimeter hohem, dunklem Wasser. Sein Mund stand offen. Ein Teil seines Unterkiefers fehlte, das übrige eine geronnene Masse, aus der hier und da weiße Knochenstückchen herausragten. Sein Hemd war dunkel, hatte dieselbe Farbe wie das Wasser, in dem er lag.
Er hatte in dem Tank gestanden, als er erschossen wurde. Man hatte ein paar Mal auf ihn geschossen, von oben. Jemand, der ihn mit gezogener Waffe vor sich her zum Tank hatte gehen lassen, ihm befohlen hatte, hineinzuklettern, sich über das Loch gebeugt und ihn erschossen hatte.
Gary Connors?
Nein. Ich konnte seine obere Zahnreihe sehen, gute Zähne, kein goldener Eckzahn.
»Eklig?«, fragte Cam.
Ich nickte, stand auf, ging zurück an Land.
Ich hatte das Foto in meiner Brieftasche. Ich holte es heraus, gab es Cam mit der Taschenlampe. Er trat zu der Luke hinüber, beiläufige, selbstbewusste Schritte, kniete sich hin, leuchtete mit der Taschenlampe in den Tank.
Er hustete, blickte mich über die Schulter hinweg an, sah wieder in den Tank.
»Das ist er, würde ich sagen«, meinte er. »Ringe an den kleinen Fingern.« Er machte den Deckel wieder zu, fand ein Taschentuch, wischte sorgfältig alles ab. »Dein Mann?«
»Nein.« Dean Canetti.
Wir gingen zum Wagen zurück. »Den Wasserhahn«, sagte Cam, während er mir sein
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