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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Cummings. Aber die Trefferquote ist nicht so schlecht. Vor fünf Jahren hat er drei Pferde laufen gehabt, sechzehn Starts, drei, zwei, drei. Im Jahr davor noch ein bisschen besser. Vier Pferde, neunzehn Starts, vier, drei, vier. Ungefähr dasselbe im Jahr davor.« Er trank etwas von seinem Tee. »Ein Bob Jane.«
    »Ein was?« Bob Jane war der Name einer Kette von Reifenhändlern. Der Rennsport gab einem immer wieder Rätsel auf.
    »Er runderneuert alte Reifen. Hat einundneunzig ein Rennen in Albury gewonnen, neunzehnhundert Meter, ein Pferd namens Live Marine.«
    »Gefällt mir, der Name«, sagte Harry. Er war ein Kenner, was Pferdenamen anging, kannte Tausende, fand nur an wenigen Gefallen.
    »Netter Name«, bestätigte Cam. »Nettes Alter auch. Vierzehn. Mit neun aus dem Sport genommen, dieser Marine. Sechs von fünfundsiebzig Rennen gewonnen, vierzehn Mal platziert. Nie besser als achter in den letzten zwölf Rennen. Rausgenommen und für fünf Jahre weg vom Fenster. Man nahm an, er sei tot oder trüge irgendwelche Kinder in einer Reitschule rum. Als er dann 1991 mit vierzehn zurückkam, war's, als wäre Fred Stolle zurückgekommen, um Wimbledon zu gewinnen.«
    Ich sagte: »Ich verstehe. Bob Jane.«
    »Dieses Jahr hat McCurdie zwei neue kleine Lohnstreifen, beide haben ein Neunzehnhunderter gewonnen.«
    »Hatte vor Live Marine schon ein paar andere Comeback-Gäulchen«, setzte Harry hinzu. »Aber dann ist die Glückssträhne abgerissen. Jetzt juckt's McCurdie wieder in den Fingern.«
    Ich trank etwas Tee. Mrs. Aldridges Tee beruhigte gleichermaßen den Magen, wie er die Gehirnzellen erfreute und anregte. Welche geheimen Dinge wusste Mrs. Aldridge über das Aufgießen von kleinen Blättchen mit kochendem Wasser, die allen anderen Teekochern unbekannt waren? Ein weiteres Mysterium.
    Harry hielt eine Videokassette hoch. »Er hat das hier vorbeigebracht, damit ich's mir angucke. Sieht aus, als wär's von einem Mann im Delirium tremens aufgenommen worden. Nehmt eure Tassen mit.«
    Auf dem Weg durch den Flur zu Harrys elegantem, zwölf-sitzigem Kinosaal bewunderte ich sein heutiges Outfit: irischer Tweedanzug mit Hahnentrittmuster, weiches weißes Hemd, Seidenkrawatte, flache Lobb's mit Zehen-kappe in der Farbe karamellisierter Zwiebeln.
    Cam drückte die Knöpfe. Wir sahen ein Rennen mit nur drei Pferden auf einer, so sah es aus, verlassenen Rennbahn. Der Kameramann litt sowohl am Veitstanz als auch an einem unkontrollierbaren Zwang, mit dem Zoom herumzuspielen. Dessen ungeachtet war es klar, dass ein großer Schimmel mit ungefähr fünf Längen gewann.
    »Jetzt seh ich, was die immer damit meinen, dass die ländlichen Rennbahnen in so traurigem Zustand sind«, sagte ich. »Eingestürzte Tribünen, Starterfeld von drei Pferden, ein einziger Zuschauer, Jockeys, die in Shorts reiten.«
    »Das ist das Tier«, sagte Harry. »Vision Splendid. Zwölf Jahre alt. Gib Jack die Hintergrundinfos, Cam.«
    »Sir Rocco aus Clancy's Angel. Gezogen von H. und
    J. Morrisey, Angaston. Im Besitz von zwei Anwälten aus Adelaide, verkauft an Ken Gumble, der ihn in Mornington trainiert, als Dreijähriger ein Maidenrennen. Gumble verkaufte die Hälfte an ein Anwaltssyndikat. Leicht eingesetzt, vierundvierzig Starts, fünf Siege, sechs zweite, acht dritte Plätze, Lebensgewinnsumme 164.500 Dollar. Achtzehn Monate lang nicht platziert, dann an eine Reitschule in Bendigo abgegeben. Da hat McCurdie ihn vor zwei Jahren gekauft. Die Schule wird von einer Freundin seiner Tochter betrieben.«
    »Er hat diese Vision doch schon laufen lassen, oder?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Cam.
    »Ein geduldiger Mann«, bemerkte Harry. »So was bewundere ich.«
    »Könnte geduldig sein«, wandte Cam ein, »könnte aber auch nur langsam sein.«
    »Die geschlagenen Gäule da«, sagte Harry und zeigte auf die Leinwand. »Das sind McCurdies beiden Dreijährigen. Beides Sieger.«
    »Sieger in Quamtbatook und Moulamein«, sagte Cam. »Wo man mit zwei Kisten Vic Bitter das ganze Feld kaufen kann.«
    »Also sucht er nach einem neuen Albury?«, fragte ich.
    »Dieses Mal nicht«, erklärte Harry. »Albury kriegt er alleine hin. Nein, er sucht nach dem Juwelierladen, um sich zu den reichen Jungs mit den weißen Schuhen oben in Queensland zu gesellen. Das Problem ist nur, er hat kein Kapital.«
    »Ein Mann mit Ambitionen«, sagte Cam. »So was bewundere ich.«
    Harry lächelte. »Unverschämter Kerl. Ich hab gedacht, wir könnten mal auf eine kleine Inspektionsreise gehen.

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