Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
Einen Profi auf dieses antike Pferd setzen. Ist zu verdammt weit, um mit dem Auto zu fahren. Jack, bist du dabei?«
    »Kann's kaum erwarten.«
    »Guter Mann. Gut, fahren wir mal raus nach Kyneton und sehen, was dieser Burnbank-Junge für uns tun kann.«
    An der Ampel auf der Flemington Road saß Harry am Steuer und klopfte ungeduldig mit seinen dicken Fingern aufs Lenkrad. »Der Rennsport hat sein Geheimnis verloren«, sagte er. »Die Kameras sind schuld. Denen entgeht nichts. Früher war's wie Krieg da draußen. Auf Leben und Tod. Die Jungs hätten alles gemacht. Alles.«
    Cam las die Age . Keiner von uns sagte etwas.
    Harry zog den Aschenbecher heraus, der die Weingummis enthielt, und suchte sich eins aus. »Das beste Beispiel ist doch dieser Wes Gales. Ein gefährlicher kleiner Bastard. Hart. Hat sich die Hörner jenseits der Grenze abgestoßen, Mindarie, Halidon, solche Plätze. Hat sich rausgestellt, dass er sich verschätzt hatte.«
    Wir saßen in dem großen, dunkelblauen BMW , der an zehnter Stelle vor einer Kreuzung stand, über die nie mehr als sieben oder acht Autos auf einmal kamen. Es wurde grün. Harry jagte den Motor hoch. Das erste Auto kam nur langsam ins Rollen. Dieses Mal würden es nicht mal acht schaffen. Der Wagen vor uns fuhr noch bei Rot rüber. Der seitliche Verkehr kam zweispurig auf uns zu.
    »Zum Teufel damit«, fluchte Harry. Er drückte seinen Fuß nach unten und riss den BMW mit quietschenden Reifen nach rechts herum. Wir entgingen dem sicheren Tod um etwa einen Meter.
    »Schwerfällig«, sagte Harry. »War gerade neulich erst bei diesen raffgierigen Blödmännern zur Inspektion. Die stellen Rechnungen wie Proktologen. Ist fast billiger, ein Pferd ins Training zu geben. Wes Gales. Frag mich, was wohl aus ihm geworden ist. Hab mal gesehen, wie er einem Typen seine Peitsche in den Arsch gesteckt hat. Auf dem Favoriten, Mavourneen's Kiss, guter Name das, bin sie auch ein paar Mal geritten. Wir waren gerade in Flemington auf halber Strecke, als Wes den Arm zurückreißt und sie ihm reinrammt. Direkt eingelocht. Der Typ, Carter, quiekt wie ein Schwein, setzt sich hin, das ist alles, wird beinahe Letzter, der arme Kerl. Der Stall will seine Eier auf 'nem Silbertablett.«
    »Gute alte Zeiten«, sagte Cam, ohne von seiner Zeitung aufzuschauen.
    »Harte alte Zeiten. In der Kabine knallt Carter Wes eine. Großer Fehler. Wes knallt ihm ein paar zurück, schlägt ihn nieder, gibt ihm noch einen Gnadentritt hinterher.«
    »Wie hat das den Stewards gefallen?«, fragte ich.
    »Kein Wort zu den Stewards. Musste man schon selber sehen, wo man blieb, damals. Ich hab zu Gales gesagt, als er so zufrieden dastand, hab ich zu ihm gesagt: »Wes, mir würdest du deine Peitsche aber nicht in den Arsch rammen, oder?« Sagt er: »Mach ich nur bei Typen, die das nicht genießen können.«
    »Unverschämter Kerl«, sagte Cam.
    Harry wechselte die Spur und bereitete sich darauf vor, zwischen einem Sattelschlepper und einem Lastwagen mit riesigen Glasscheiben darauf wieder einzuscheren. »Das kann ich dir sagen«, sagte er. »Also hab ich ihm den K.o.Schlag verpasst. Die haben den Arzt geholt, weil der Junge danach so langsam war beim Fragen beantworten. Wissen Sie, wie Sie heißen, was heute für ein Tag ist und so was.«
    »Das hat dann aber doch die Aufmerksamkeit der Stewards geweckt«, bemerkte Cam.
    »Nein. Nur 'ne Keilerei unter Reitern. Affen, die übereinander herfallen, so war damals die Einstellung. Na ja, der kleine Scheißer hatte nicht vor zu quatschen. Hat denen gesagt, er wär vornübergefallen, als er seinen Stiefel ausgezogen hat, und hätte sich das Kinn am Schrank gestoßen.«
    Es fiel nicht schwer, sich Harry Strang beim K.o.-Schlag vorzustellen, nicht einmal jetzt. Nicht, wenn man sich seine Schultern anschaute, die großen Hände auf dem lederbezogenen Lenkrad. Schwerer war es schon zu glauben, dass Harrys zwanzigjährige Reitkarriere bereits 1961 in Deauville geendet hatte, als er mit drei Längen auf Lord Conovers Leaneave Vale gewann. Ein paar Meter hinter dem Zielpfosten war das Pferd vornüber gestürzt, mit den Beinen eingeknickt, mausetot. Harry ging mit ihm zu Boden, brach sich alle Rippen auf der linken Seite und den linken Arm gleich zwei Mal. Er erholte sich vollständig, verließ aber Europa und kehrte nach Hause zurück, nahm seine Haushälterin mit, ritt niemals wieder. Es war, als hätte der Sturz ihm zusätzliche Zeit geschenkt. Er hatte beinahe keine Falten, seine Augen waren

Weitere Kostenlose Bücher