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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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wär hübscher gewesen«, sagte er. »Das Zeug hier ist doch was für Friedhöfe.«
    »Gras ist hier in der Gegend eben nicht mehr angesagt.«
    Neben der Tür zur Gruft befanden sich Klingelknöpfe, die von eins bis sechs durchnummeriert waren. Namen waren hier auch nicht mehr angesagt, bis auf Nummer eins, auf dessen Messingschild Manager stand. Zu jedem Klingelknopf gehörte ein geschlitztes Gitter für die Sprechanlage.
    Des holte einen großen Schlüsselbund aus der Tasche seines Regenmantels und sah die Schlüssel durch. »Nummer fünf«, sagte er. Ich drückte den Klingelknopf. Kein Ton, aber neben dem Klingelknopf leuchtete ein gelbes Lämpchen auf. Wir wurden gefilmt. Ich drückte noch einmal. Dann noch mal. Noch mal. Wir sahen uns an. Des hielt mir die Schlüssel hin.
    Der Schließmechanismus war geschmeidig wie Seide. Die Tür öffnete sich lautlos und gab den Blick auf eine quadratische Eingangshalle frei, die komplett mit grauem Schiefer ausgekleidet war. Auf jeder Seite des Raumes befanden sich Türen, direkt gegenüber war die Aufzugtür, alles in Stahl. Wir nahmen den Aufzug zum dritten Stock. Ein mit Stahl ausgekleideter Aufzug, lautlos.
    »Ich werd verrückt, Bill«, sagte Des mit weit aufgerissenen Augen. »Wie ein verdammter Kühlraum. So was hab ich ja noch nie gesehen.«
    Auf dem Weg hierher war er darauf verfallen, mich Bill zu nennen; es schien mir nicht wichtig, ihn zu korrigieren. Was ist schon eine Generation, auf lange Sicht betrachtet?
    Abgesehen davon gefiel es mir ganz gut. Niemand hatte mich je mit dem Namen meines Vaters angesprochen.
    Die Aufzugtür öffnete sich zu einer kleineren Version der Eingangshalle, Türen auf beiden Seiten. Nummer fünf war links. Der Klingelknopf aus Messing war oben an der Tür, und als ich näher trat, um zu klingeln, blickte ich in eine stecknadelkopfgroße Überwachungskamera.
    Wir warteten, probierten es noch einmal, warteten wieder.
    »Gehen wir rein«, sagte Des.
    Wieder so ein seidenglattes Schloss. Die Tür schwang lautlos auf und ließ uns in einen kleinen, leeren Eingangsbereich, der mit dunkelgrauem Teppich ausgelegt war. Ich sah nach der Alarmanlage. Sie war nicht eingeschaltet. Ich drückte auf den Lichtschalter neben der Tür. Ein einzelner Spot ging an, über einer gerahmten Schwarz-Weiß-Fotografie einer jungen Balletttänzerin, die in erotischer Pose erschöpft zusammengesunken war. Ein angenehmer Empfang beim Betreten einer Wohnung.
    Links neben der Eingangstür befand sich ein kleiner Überwachungsmonitor. Zwei geschlossene Türen gingen von dem Raum ab.
    »Des, warten Sie hier.«
    Ich öffnete die rechte Tür. Ein Wohnzimmer, mit dem gleichen dunkelgrauen Teppich ausgelegt und mit einigen guten Möbelstücken ausgestattet: moderne Ledersessel im Stil von Jean-Michel Frank, ein kleiner Schreibtisch, wahrscheinlich französisch, elegante Beistelltischchen. An der Wand noch mehr dunkel gerahmte Ballettfotos, eine Sammlung von kunstvollen, kleinen Holzobjekten auf dem Kaminsims, ein antiker, goldgerahmter Spiegel, Tischlampen überall. Alles an diesem Zimmer sagte »Innenarchitekt«.
    Der Rest des Apartments sagte dasselbe. Garys Schlafzimmer war schwarz und männlich, die Küche spartanisch und klinisch, in dem auf altmodisch getrimmten Badezimmer fehlte nur noch Winston Churchill, der in der gigantischen, freistehenden Badewanne mit Löwentatzen seine Zigarre rauchte. Getäfelte Türen verbargen Waschmaschine und Trockner.
    Die Wohnung war sauber, zu sauber, vermittelte den Eindruck eines Apartments mit Zimmerservice. Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück. Des stand in der Tür und nickte.
    »Piekfein«, sagte er, »schätze, hier sind meine sechzig Riesen gelandet.«
    »Des«, sagte ich, »ich bin nicht gerade scharf auf so was, aber Sie als besorgter Vater, hätten Sie gern, dass ich mich mal umsehe?«
    »Guck nur«, sagte er ohne jegliches Anzeichen väterlicher Besorgnis.
    Gary war schon länger nicht mehr zu Hause gewesen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum auf einem Viererpack Joghurt im Kühlschrank ließ auf mindestens drei Wochen schließen. Eine Messingschale in der Küche enthielt Kleingeld und etwa ein halbes Dutzend zerknitterter Kassenzettel und Kreditkartenbelege.
    Ich ging die Schränke durch. In einem war auf Augenhöhe ein weiterer Überwachungsmonitor angebracht. Ich schaltete ihn ein. Er sprang sofort an, erstklassige Technik. Der in mehrere Bereiche aufgeteilte Bildschirm zeigte die Haustür unten, den leeren Flur vor der

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