Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
merken, dass die Mutigen ihre Taschen hier rausschleppen. Mach weiter, bis es vorbei ist.«
    Wir stiegen aus. Ich ging als Erster. Kein Kontakt bei den Rennen.
    Dowling Forest nach einem trockenen Sommer, die Rennbahn der einzige grüne Fleck in der gelblichen Landschaft. Heute schien die Sonne von einem Himmel in der Farbe verblichenen Lavendels. Ich hatte hier schon Herbst-tage erlebt, die so kalt waren, dass die Jockeys mit blau gefrorenen Gesichtern abstiegen. Kein schlechtes Publikum, die üblichen Verdächtigen, die hoffnungsvollen und die hoffnungslosen Wetter, die Stallburschen, die Fahrer der Pferdetransporter, Freunde und Verwandte aus dem Kreis der Pferdebesitzer, Leute mit Beziehungen, Leute, die nichts Besseres zu tun hatten, Kleinkriminelle. Ich fand einen Platz am Zaun des Führrings neben zwei Frauen irgendwo in den Dreißigern, kurze Beine in Leggings und ausgeleierten Pullovern, die ihre Zigaretten zwischen mango-gelben Fingern hielten.
    »Er ist ein Mistkerl, Les' Bruder«, sagte die größere gerade. »Frau und vier Kinder, Klein-Brenna erst acht Monate, und er legt diese Supermarkttussi flach, die bestimmt gerade mal sechzehn ist.«
    »Verdammte Männer«, sagte die andere. »Ich frag Glen nicht mal, wo er sich wieder rumgetrieben hat. Hab keine Lust, mir seine verdammten Lügen anzuhören.«
    Die Pferde für das Fünfte wurden allmählich in den Ring gebracht. Vision Splendid wurde geführt von einer großen jungen Frau mit fransigem roten Haar, hellen Augenbrauen und einem windgegerbten Gesicht. Das Pferd war ruhig aber wach und sah sich interessiert um. Man hatte seine Pflege ein wenig vernachlässigt, und es wirkte eher unscheinbar im Vergleich zum letzten Mal, als ich es gesehen hatte.
    Karen Devine, sehr schick in Cordjackett, hellbraunem Rollkragenpullover und über Jodhpurstiefeln getragenen Hosen, wechselte ein paar Worte mit Tommy Wicks, half ihm aufs Pferd, hielt Visions Kopf und streichelte seinen Hals.
    Ich blickte mich um. Cam stand etwas weiter weg am Zaun, rauchte einen Zigarrenstumpen, las in der Rennzeitung. In seinem makellosen Country-Look sah er aus wie ein ehemaliger Spieler von einem Kreuzfahrtschiff, der jetzt Viehzüchter geworden war.
    Ich ging ins Wettbüro, einem zutiefst ungastlichen Ort mit Betonfußboden, wo Leute auf Hotdogs herumkauten und besorgte Gesichter machten wie U-Boot-Matrosen, die darauf warteten, dass der Wasserdruck die Außenhülle eindellt und die Nieten heraussprengt. Die Buchmacher hielten ihr Geld zusammen. Vision stand ganz am Ende mit 20 : 1. Hughie Hooray und Kukri Dawn standen beide bei 4 : 1, Seminary Boy bei 6 : 1, Bold Chino und Killer Serial waren Siebener. Dann drängte sich alles auf 12 : 1, eine 14 : 1 und zwei Sechzehner. Ich öffnete den Umschlag: Zehner, Zwanziger und Fünfziger.
    Schnell machte sich Vorsicht breit. Ich hatte noch nicht mehr als 400 Dollar gesetzt, als der Preis zu fallen begann. Nach 800 Dollar bekam ich 15 : 1, und dann drängten die Aasgeier auf den Markt und schlugen sich um ihre Beute. Ich hörte bei 10 : 1 auf. Cam hatte recht bei den Todsicheren gehabt. Für Hughie Hooray und Kukri Dawn gab es kein wirkliches Geld, und so blieben sie bei 4 : 1 hängen. Seminary Boy zog auf 4 : 1, dann 3 : 1, dann 5 : 2. Der Rest tobte sich noch ein bisschen aus. Das war's.
    Draußen auf der Tribüne merkte man, dass es Winter war. Der leichte Wind brachte Kunde von der Kälte mit sich, von kalten Landen im Südwesten. Ich nahm meinen üblichen Platz ein und dachte nicht an Pferde, sondern an Linda und wie sie sich auszuziehen pflegte.
    Ein Mann in einem violetten Jogginganzug, unbestimmtes Alter, vierzig oder sechzig, eine gelbbraune Haw thorne-Mütze tief ins Gesicht gezogen, kam die Stufen herauf. Er schleppte ein so großes Fernglas mit sich, wie man es normalerweise nur fest montiert auf irgendwelchen Aussichtsplattformen findet. Unter Tausenden von Sitzplätzen wählte er den zweitnächsten neben mir.
    Ich dachte darüber nach, mich wegzusetzen, war aber unentschlossen und nahm stattdessen die neue Kamera heraus, eine VE 3000 von Lockhead Systems, exklusiv fürs Militär gefertigt, nicht frei verkäuflich, frisch aus Abu Dhabi oder wo immer Cam Harrys kleine, nützliche Spielzeuge her hatte. Wie angewiesen, flüchtig, legte ich mein rechtes Auge an, zielte, fand die Startboxen, nichts, was einen großartig in Begeisterung versetzt hätte, vielleicht zehnfache Vergrößerung. Dann folgte ich der links aufblinkenden

Weitere Kostenlose Bücher