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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Touristenmagnet obendrein.
    Sie fuhren wieder an, und die Beschleunigung drückte ihn in den Sitz. Jetzt war das Land ernsthaft flach, so flach, dass nichts das Auge hielt, bis auf vereinzelte Gehöfte, deren Häuser sich gleichsam verhuscht in die von niedrigen Wällen begrenzten Felder duckten, und Reihen von kahlen, in den Wind geneigten Bäumen, seltsam stoisch wirkend, wie eine versprengte Kompanie von Soldaten. Hinter jeder Baumreihe ahnte er das Meer und wurde ein ums andere Mal enttäuscht, obgleich er durchaus wusste, dass die Nordsee noch ein gutes Stück entfernt war. Am Horizont verschmolzen Himmel und Erde, und die schiere Weite des Landes rührte etwas in ihm an, das er nicht zu benennen vermochte.
    Nächster Halt Leer. Er verstaute die Unterlagen, hievte den Trolley aus der Gepäckablage, zog seinen Mantel über und wankte vorwärts bis zur nächsten Tür. Die Bremsen kreischten einen schrägen Abschied, bevor der Zug mit einem Ruck, der die wild winkende Omi vor ihm fast von den Füßen geholt hätte, zum Stehen kam.
    »Lassen Sie mich das machen«, sagte er und stellte ihr ihren viel zu schweren Koffer auf den Bahnsteig, wo er des stürmisch begrüßten Enkels harrte. Der folgenden Unterhaltung konnte er kein verständliches Wort entnehmen. Kein gutes Zeichen, dachte er und schlenderte unschlüssig in Richtung Unterführung, als ihm jemand auf die Schulter tippte.
    »Paul Zinkel?«
    »Ja.« Er wandte sich um und erblickte einen blonden Hünen, der gut einen Kopf größer war als er selbst und aus krähenfüßigen blauen Augen auf ihn heruntersah.
    »Moin.« Der andere reichte ihm die Hand, die eher einer Pranke glich. »Dein Kollege hat dich angekündigt. Ich bin Enno Lübben.«
    »Freut mich.« Zinkel erwiderte den Händedruck, bevor er womöglich gravierende Verletzungen davontragen würde.
    »Für eine Stadtführung taugt das Wetter nicht sonderlich, deswegen habe ich gedacht, wir fahren erst mal zu Frau Morgenroth.« Lübben wartete sein Einverständnis nicht ab, nahm den Trolley auf und ging voraus.
    Die paar Jahre, die Lübben jünger sein mochte, rechtfertigten nicht, dass er ihm das Gepäck abnahm, doch Zinkel verzichtete auf Einspruch und folgte ihm die Stufen hinunter. Die Unterführung war dazu geeignet, Klaustrophobie hervorzurufen – er zog unwillkürlich den Kopf ein und war erleichtert, am anderen Ende wieder das Tageslicht zu erreichen. Vor dem Bahnhofsgebäude hingen ein paar Jugendliche herum. Ihr Gejohle legte sich kurzzeitig, schwoll erst wieder an, als sie sich nach rechts wandten.
    »Kennen die dich?«, erkundigte sich Zinkel und hielt seinen Mantel gegen den eisigen Wind zu.
    »Lässt sich nicht vermeiden. Anonym in Ostfriesland geht nicht. Auf dem Land ist das natürlich noch etwas extremer als hier.«
    Großstädtisch hätte Zinkel das, was er sehen konnte, nun wirklich nicht genannt. Das Parkhaus gegenüber erfüllte eventuell die Kriterien, das Postgebäude hinten links vielleicht auch. Er ließ den Blick weiter nach links schweifen, entdeckte ein lang gezogenes Backsteingebäude, das vermutlich um Einiges älter war als die Häuser in der Umgebung.
    »Zollhaus«, erklärte Lübben, der seinen Blick bemerkt hatte. »Heute ein Kulturzentrum, gibt aber immer mal wieder Ärger mit der Finanzierung.« Er steuerte einen blauen Passat auf einem der Kurzzeitparkplätze jenseits des Taxistandes an, verstaute Zinkels Gepäck und deutete wortlos auf die Beifahrerseite.
    »Hast du uns angekündigt?«, fragte Zinkel, als sie den Bahnhofskreisel, in dessen Zentrum eine schwarz-gelbe Boje prangte, passiert hatten.
    »Ging keiner ran. Vielleicht ist sie jetzt da. Es ist nicht weit. Links übrigens siehst du meinen Arbeitsplatz.«
    Ein architektonisches Meisterwerk ist der Backsteinklotz nicht, dachte Zinkel. »Arbeitet sie nicht?«
    »Ich hab bei ihrer Firma angerufen, sie hat sich krankgemeldet. Übrigens erst am Montag. Die erste Zeit nach der Entführung hat sie also gearbeitet.«
    »Vielleicht brauchte sie die Ablenkung«, vermutete Zinkel. »Hast du hinterher überhaupt mit ihr gesprochen?«.
    »Nein, gab ja keinen Grund dazu. Ich bin von euch informiert worden, dass sie aufgefunden wurde und keine Angaben zur Tat machen konnte. Habt ihr irgendeine Ahnung, was dahintersteckt? Was mit ihnen passiert ist?«
    »Ehrlich gesagt, haben wir nichts außer Ahnungen«, gestand Zinkel. »Ich bin nicht mal sicher, ob es sich wirklich um eine Serie handelt. Einen mutmaßlichen Fall haben wir

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