Spur nach Ostfriesland
den Plan rufen.
Sie hatten angerufen, heute Morgen schon, sie war sicher, obwohl sie nicht auf die Rufnummer geschaut hatte und auch nicht rangegangen war, um ihre Anwesenheit gar nicht erst preiszugeben. Aber sie hatte gewusst, dass sie trotzdem kommen würden. Und recht behalten. Es hatte ein wenig zu lange gedauert vom Moment, in dem die beiden aus ihrem Blickfeld verschwunden waren, bis zum Anschlagen der Türklingel, sodass sie sich schon den Anflug von Hoffnung gestattet hatte, sich getäuscht zu haben.
Jetzt war nur noch die Frage, wie lange das Türschloss ihrem Werkzeug, was immer man für so etwas brauchen mochte, standhalten würde. Oder ob jemand anderes im Haus auf ihr Läuten öffnen würde. Aber das war unwahrscheinlich. Die Putzfrau, die in der Wohnung unter ihrer zugange war, würde den Teufel tun und öffnen. Inka hatte den Verdacht, dass es sich um eine Illegale handelte, so wie die sich immer umsah, bevor sie das Haus betrat. Und soweit sie wusste, war sonst niemand im Haus. Jedenfalls niemand, der hier gemeldet war. Gut möglich, dass sie gestern Abend verpasst hatte, wie der Privatier, wie er sich selbst nannte, aus dem Erdgeschoss zweifelhaften Damenbesuch empfangen hatte, was nicht selten vorkam, und ebenso gut möglich, dass die Dame dort übernachtet hatte und sich jetzt im Whirlpool räkelte, während er schon längst wieder in der Weltgeschichte herumjettete. Jedenfalls hoffte sie, dass die Dame sich im Whirlpool befände, dann würde sie sicherlich nicht öffnen.
Sie rutschte an der Wand entlang näher an die Tür, angestrengt lauschend. Nichts zu hören. Doch das musste nichts bedeuten. Der Fahrstuhl glitt nahezu geräuschlos durch den Schacht. Und das leise Wusch, mit dem seine Türen zur Seite glitten, würde sie hier drinnen kaum wahrnehmen können. Ihre Schritte auf dem marmornen Boden vielleicht, doch sie hatte nicht darauf geachtet, was für Schuhe sie anhatten. Und womöglich zogen sie sie ja in diesem Moment aus. Schlichen sich genau jetzt zu ihrer Tür. Sie hörte auf, zu atmen.
***
Hartmann stöhnte, und das nicht zum ersten Mal an diesem Morgen. Seine Finger waren schon ganz rissig von den Unmengen Papier, die er in Händen gehabt hatte. Diese bekloppten Kundenlisten aus der Buchhandlung. Er wünschte, er wäre selbst nach Leer gefahren, dann müsste er sich jetzt nicht hiermit abplagen. Er ließ seinen Kopf kreisen und rieb sich den schmerzenden Nacken. Ein Schläfchen wäre nett, zumal die letzte Nacht nicht gerade erholsam gewesen war. Zu viele Alpträume. Er hatte das Gefühl, dass ihnen die Zeit davonlief. Wenn Inka Morgenroth sich noch immer an nichts erinnern konnte, wüsste er schlicht nicht, wie sie Franziska jemals finden sollten.
Das Klingeln des Telefons unterband seine pessimistischen Gedanken. Eine Spur, bat er insgeheim, gib mir endlich eine Spur. Er nahm das Gespräch an.
»Na bitte«, erklärte er, als er sich für die Information bedankt hatte, und richtete sich auf. »Gentner hat vor zwei Jahren, kurz bevor Claudia Schuch entführt worden ist, in Idstein ein Fahrzeug angemeldet.«
»Hurra«, Patrizia stellte ungefragt eine Tasse Kaffee vor ihn hin, »also haben wir wenigstens die Verbindung hergestellt.«
»Aber das bringt uns trotzdem nicht weiter.« Er sackte wieder zusammen. »Wir wissen ja nicht, ob er es war, der Schuch schikaniert hat.«
»Das lässt sich leicht rauskriegen.« Patrizia blieb beharrlich. »Hast du dort einen Computer gesehen?«
»Bei Schuch? Doch, ich glaube schon.«
»Hätte mich auch gewundert. Ruf dort an und lass dir die Mail-Adresse geben. Dann schicke ich ihr ein Bild von Gentner, auf seiner Homepage ist nämlich eins, vielleicht erkennt sie ihn wieder. Und bleib dran, das geht schnell.«
Hartmann tat, wie ihm geheißen, nur mäßig irritiert, dass er nicht selbst auf die Idee gekommen war. Sein Verständnis für moderne Technik war beileibe nicht zeitgemäß. Sein mangelndes Verständnis. Dass diese Technik dann obendrein Ergebnisse erzielte wie eben jetzt, wo Claudia Schuch »Das ist er« stammelte und grußlos auflegte, das irritierte ihn schon eher.
»Super, das sind schon zwei.« Patrizias Laune hob sich im selben Maße, wie seine sank. »Franziska und Claudia Schuch. Jetzt zu Inka.« Sie begann, in der Akte zu blättern.
»Das macht Paul«, grummelte er.
»Ja, aber warte mal, ich habe da eine Idee.« Sie fand offensichtlich, was sie gesucht hatte, griff nach dem Telefonhörer und gab sich als
Weitere Kostenlose Bücher