Spurlos in der Nacht
nach Vindern fuhr. Ihr roter Wagen stand nicht in der Auffahrt, und deshalb fuhr er weiter zum Verteidigungsministerium, um Alf Boris Moen mit den Aussagen der alten Frau Adamsen zu konfrontieren. Er versuchte, in der Nähe des Museums für Zeitgenössische Kunst einen Parkplatz zu finden. Das war nicht leicht. Am Ende stellte er seinen Dienstwagen hinter ein anderes Auto und legte einen Zettel mit seiner Handynummer auf das Armaturenbrett. Er ging auf das gelbe Gebäude zu. Warf einen Blick auf die beiden schwarzen Kanonen, die die Tür bewachten, dann betrat er die Rezeption und erkundigte sich nach Alf Boris Moen.
Die Fahrt hätte er sich sparen können. Alf Boris Moen hatte sich einige Tage frei genommen, wurde ihm nun mitgeteilt. Cato Isaksen fragte sich kurz, was das wohl bedeuten könnte, kam aber zu dem Schluss, dass es sicher eine natürliche Erklärung dafür gäbe. Er rief bei Alf Boris Moen zu Hause an, doch dort meldete sich niemand. Er hinterließ die Nachricht, dass er mit ihm sprechen wollte.
Dann ging er zum Auto zurück und mühte sich durch die Stadt.
Es war jetzt elf. Am nächsten Tag würde die prunkvolle Hochzeit des Kronprinzen stattfinden. Überall wurde saubergemacht und dekoriert. Reinigungsfahrzeuge und städtische Angestellte in selbstleuchtenden orangenen Overalls lasen Abfälle auf und kümmerten sich um Bäume, Büsche und Beete. Die ganze Stadt schien den Atem anzuhalten. Die Leute eilten hin und her. Überhaupt war überall eine ganz besondere Erregung zu verspüren.
Er schaute auf die Uhr. In einer Stunde musste er vor Gericht in einem anderen Fall als Zeuge auftreten. Wenn es nicht zu lange dauerte, wollte er danach noch nach Drøbak fahren und mit Helena Bjerke sprechen.
Die Verhandlung war um halb zwei beendet. Er setzte sich in sein Auto und fuhr nach Drøbak. Er fragte sich, ob Alf Boris Moen wohl auch dort sein könnte.
Das war er nicht. Helena Bjerke bat ihn herein. Sie hielt in der einen Hand eine Zigarette und in der anderen ihr Strickzeug. Sie fragte nicht mehr, ob es etwas Neues gebe. Sie schien fast resigniert zu haben. Sie führte den Ermittler ins Wohnzimmer und bat ihn, sich zu setzen. Er dankte und kam gleich zur Sache.
«Ihr Bruder hatte vor langer Zeit eine Freundin», sagte er. «War er damals verlobt?»
Helena Bjerke drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und legte das Strickzeug aufs Sofa.
«Ach ja. Das war alles schrecklich traurig», sagte sie.
«Was ist passiert?»
«Es ist schon so lange her. Sie war fünfundzwanzig, glaube ich, und Alf Boris achtundzwanzig. Sie ist kurz vor Weihnachten gestorben. Es war damals eine Zeit, als alles schwierig war. Er hat nie wieder eine andere gefunden.»
«Wie ist sie gestorben?»
«Sie ist in seiner Wohnung die Treppe hinuntergefallen.»
Cato Isaksen musterte sie schweigend. Plötzlich sah er hellwach aus. Er setzte sich im Sessel gerade.
«Wie hieß sie?», fragte er.
«Gunn Berit Tobiassen.» Helena lächelte kurz. «Ich konnte sie sehr gut leiden. Und Mutter hat sie geliebt.»
«Sie haben erwähnt, dass etwas schwierig geworden sei.»
«Sie wollte ihn verlassen. Alf war am Boden zerstört, der Arme, und ließ nichts unversucht, um sie zu halten. An ihrem Todestag kam sie zu Besuch, um ihr Weihnachtsgeschenk abzuholen. Alf Boris hatte wohl gehofft, sie umstimmen zu können. Das ist fast das Schlimmste von allem.» Schweigend schüttelte sie den Kopf. «Danach erzählte Alf, sie sei zu einem neuen Anfang bereit gewesen. Und dann passierte dieses schreckliche Unglück. Ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen sei. Alf Boris beugte sich über sie und weinte, als sie vor Mutters Tür lag. Ich werde es nie vergessen. Du hast doch gesagt, dass alles wieder gut wird, schrie er.» Helena Bjerke senkte den Kopf. «Er war so unglücklich.» Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von der Wange. «Der arme Alf Boris», sagte sie. «Wir Armen. Es ist soviel. Kathrines Verschwinden hat ihn alt werden lassen. Er hat sich so gut mit ihr verstanden. Hatte immer witzige Ideen. Ich glaube ganz ehrlich, dass Onkel Alf, wie sie ihn nannte, der einzige Mann war, zu dem sie Vertrauen hatte.»
Cato Isaksen schwieg.
«Ja, ich weiß, ich spreche in der Vergangenheit», sagte Helena Bjerke mit plötzlich harter Stimme. «Aber ich habe aufgegeben. So ist es besser. Trotz der SMS und der Karte kann ich nicht mehr glauben, dass sie noch lebt. Jemand will uns zum Narren halten.»
«Wir haben nicht
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