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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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wieder aufgestanden. Das geht mir fast immer so. Plötzlich kam Frau Moen aus der Tür und die Treppen hinunter gelaufen. Sie rannte über den Kiesweg und machte nicht einmal das Tor hinter sich zu. Das hat sie sonst immer getan. Sie hatte Angst vor Hunden, wissen Sie. Wollte keine Hunde im Garten haben. Ich glaube, keine halbe Minute später kam diese Freundin des Sohnes. Sie lief hinter Frau Moen die Straße entlang.»
    Cato Isaksen dachte verzweifelt nach.
    «Sie verschwanden dann beide aus meinem Blickfeld, Frau Moen und die Freundin. Und gleich darauf wurde sie dann doch erschossen, nicht wahr?»
    Als Cato Isaksen wieder im Wagen saß, merkte er plötzlich, dass ihm schlecht war. Nicht nur ein wenig, sondern so sehr, dass er nicht wusste, ob er es schaffen würde, zum Polizeigebäude zurückzufahren. Ihm ging es wirklich nicht gut. Vielleicht hatte die alte Frau Adamsen ihm etwas Verdorbenes serviert.
    Er fuhr nach Hause nach Asker und gab den Plan auf, an diesem Tag noch zu arbeiten. Er hatte Solveig Wettergren aufsuchen und sie fragen wollen, wo sie sich an dem Abend aufgehalten hatte, an dem Brenda Elise Moen erschossen worden war. Er wollte sie anrufen. Er hielt bei der Tankstelle am Ortsrand von Asker und kaufte sich eine Cola. Vielleicht hatte er einfach nur Hunger. Ihm ging auf, dass er an diesem Tag noch kaum etwas gegessen hatte.
    Nach dem Abendessen fühlte er sich viel wohler, nur war ihm kalt. Eigentlich wäre es nötig gewesen, ins Büro zurückzufahren und sich an den Fall Moen zu setzen. Aber das brachte er nicht über sich. Mehrere Male versuchte er Solveig Wettergren anzurufen, aber die ging nicht ans Telefon.
    Bente umhegte ihn. «Vielleicht solltest du einen Pullover anziehen», schlug sie vor.
    Der Kater sprang auf seinen Schoß. Er kraulte ihn zerstreut am Bauch. Plötzlich schlug das Tier ihm die Krallen in den Arm. Er fuhr zusammen und schob es auf den Boden. «Der will doch nur spielen», sagte Bente. Sie beugte sich vor und strich den kleinen Läufer auf dem Tisch gerade. «Wenn ich mir eine andere Stelle suchen will, dann sollte ich jetzt vielleicht damit anfangen», sagte sie.
    «Ja», meinte Cato Isaksen geistesabwesend. Im Fernsehen wurde jetzt gerade über einen Orkan berichtet.
    «Traurig, dass es so ist», sagte Bente. «Wir leisten die wichtigste Arbeit in dieser Gesellschaft, sind aber so überarbeitet und unterbezahlt.» Sie ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen. Er sah sie an und konnte sich die Frage nicht verkneifen:
    «Hast du dich schon einmal versucht gefühlt, eure alten Leute zu misshandeln?»
    Bente blickte ihn überrascht an. «Wie meinst du das?»
    «So wie ich es gesagt habe. Du sagst, dass ihr überarbeitet seid, dass das schlechte Gewissen dich fast fertig macht, weil du es nicht schaffst, den Alten das zu geben, worauf sie einen Anspruch haben.»
    «Ja?»
    «Kann die Hoffnungslosigkeit dich da nicht auch einmal überwältigen?»
    «Dass die alten Leute darunter leiden, meinst du?»
    «Ja.»
    «Niemals», erklärte Bente entschieden.
    Später, als sie schlafen gehen wollten, betrat Cato Isaksen Vetles Zimmer. Er blieb am Fußende stehen und betrachtete seinen schlafenden Sohn. Vetle war ein hübscher Junge, mit hoher Stirn und schönen Wangenknochen. Cato Isaksen fragte sich, wer dieser Sohn eigentlich war. Er schlief noch immer genauso wie früher als Kind. Er war eigentlich unverändert und atmete lautlos.
    Ein strahlender scharfer Mond drängte sich durch den Vorhangstoff. Der Herbst war da. Es war der 23. August. Cato Isaksen verließ leise das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.

58
    Cato Isaksen durfte nicht einschlafen. Er hatte Angst, Dinge zu verlieren, mit denen sein Gedächtnis arbeitete, seitdem er soviele neue Dinge erfahren hatte. Er beschloss zu warten, bis Bente ins Bett gegangen war, dann wollte er sich mit Papier und Bleistift hinsetzen und die neuen Informationen auflisten. Nachts zu arbeiten fiel ihm leicht. Oft war das Gehirn um diese Zeit klarer.
    Er öffnete die Verandatür, um ein wenig frische Luft ins Zimmer zu lassen, und der Kater schlich sich hinaus. Herbstgeräusche strömten in den Raum. Bäume, die sich bewegten, Autos in der Ferne. Die klare kalte Luft machte alle Geräusche schärfer. Er hörte das Verkehrsrauschen von der etwas entfernt gelegenen E 18. Asker entwickelte sich zu einer kleinen Stadt. Cato Isaksen war nervös. Irgendwo in dieser Herbstnacht da draußen war Kathrine. Lebendig oder tot. Lebendig, das glaubten

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