Spurlos in der Nacht
hatten ihre Haare verlassen. «Ihre Mutter war Russin und eine große Sammlerin von Bildern und Souvenirs. Wir wissen nicht so recht, wie sie das geschafft hat, aber angeblich hatte sie einen Beamten am Hof von Königin Maud und König Haakon als Liebhaber.» Die gepflegte alte Dame betrachtete ihre Hände. An der rechten trug sie zwei große Diamantringe.
«Das ist so eine seltsame Märchengeschichte, die man fast nicht glauben mag. Aber jedenfalls war Brendas Mutter ungefähr gleichzeitig mit König Haakon nach Norwegen gekommen. Sie war wirklich eine Schönheit», sagte jetzt Tulla Henriksen, schenkte dünnen Tee ein und bot fettglänzende Schokoladenplätzchen an. «Sehen Sie sich nur ihre Fotos an, wenn Sie bei Alf Boris sind. Sie hatte keine Wohnung, sie wusste nicht, was sie machen sollte. Aber in der Stadt wimmelte es nur so von Menschen, eben wegen des neuen Königs. Sie hatte wohl kaum Geld, aber sie kaufte sich eine Illustrierte, die auf der Titelseite ein schönes Bild des neuen Königspaares brachte. So fing das alles an. Sie ging einfach zum Schloss und bat um Arbeit. Sie hat wohl behauptet, vorher bei der Zarenfamilie in Diensten gewesen zu sein. Das war natürlich blanker Unsinn, aber vielleicht wurde sie deshalb eingestellt.»
«Später, als sie mehr Geld hatte, kaufte sie sich ein Album und fing an, Bilder und Artikel einzukleben», fügte Solveig Wettergren hinzu. «Sie arbeitete viele Jahre am Hof, bis zu Brendas Geburt. Wir haben immer Witze darüber gemacht, wer wohl ihr Vater gewesen sein kann.»
«Auf irgendeine Weise hat sie damals auch ein Gemälde an sich gebracht, das inzwischen sehr viel wert ist. Es heißt Wespentaille und hängt bei Brenda zu Hause», sagte Tulla Henriksen.
Randi Johansen nickte. «Das habe ich gesehen», sagte sie.
«Interessiert ihr Sohn sich auch für diese Dinge?» Cato Isaksen stellte vorsichtig seine dünne Teetasse auf den Tisch.
«Nein», sagten die beiden alten Damen und wechselten einen fragenden Blick. «Ich weiß nicht so recht, ich glaube, nicht.»
Solveig Wettergren erhob sich. «Manchmal war er schon mit uns zusammen. Er kam dann irgendwann heruntergestapft, wenn wir uns bei Brenda getroffen haben.»
«Was ist mit seinem Bekanntenkreis?»
«Ich glaube, darüber wissen wir nichts», sagte Tulla Henriksen.
«Ich kann mich jedenfalls an nichts erinnern», fügte ihre Freundin hinzu.
Randi Johansen nahm zum zweiten Mal die Plätzchenschale entgegen und reichte sie an Cato Isaksen weiter, der an diesem Tag noch nichts gegessen hatte, und dem von dem süßen Geschmack plötzlich ein wenig schlecht wurde. Trotdem nahm er sich höflich noch eins.
«Finden Sie es nicht seltsam, dass Brenda Moen an dem Abend, an dem sie ermordet wurde, noch so spät von zu Hause weggegangen ist?», fragte sie.
«Aber sicher», erwiderten die beiden alten Damen wie aus einem Munde und wechselten einen verstörten Blick. «Brenda war überaus vorsichtig, ein wenig zurückhaltend sogar.»
Solveig Wettergrens umfangreicher Körper bewegte sich unruhig, sie fuhr sich über ihren üppigen Busen und griff nach ihrer Brosche, die mehrere feuerrote Steine aufwies.
«Sie war jedenfalls mit niemandem zerstritten.» Solveig Wettergren spielte zerstreut an ihrer Brosche herum. «Das mit unserem Club macht wirklich Spaß. Vor allem jetzt, wo die Kronprinzenhochzeit näher rückt», sagte sie dramatisch. «Wir haben uns ein Zimmer im Grand Hotel bestellt, zur Straße hin. Wir wollten uns den ganzen Aufzug ansehen, wenn ich das so nennen darf. Wir haben uns schrecklich darauf gefreut.»
Die beiden alten Damen redeten nun wild durcheinander. Cato Isaksen hörte nur mit halbem Ohr zu. Die Beziehung zwischen Kronprinz Haakon und der ausschweifenden Partybesucherin Mette Marit interessierte ihn nun wirklich nicht.
«Jetzt ist ja alles ganz anders», sagte Solveig Wettergren. «Aber wir müssen eben positiv sein. Es ist bestimmt spannend, am 25. August alles im Blick zu haben.»
«Ja, aber vielleicht können wir das doch nicht machen. Ich meine wegen Brenda», sagte Tulla Henriksen.
«Wir werden sehen», sagte Solveig Wettergren und erhob sich, um Würfelzucker zu holen. Ihr umfangreicher Körper sah auf besondere Weise fest aus. Ihr Gesicht war breit und frisch und die Nase wirkte entschlossen. Cato Isaksen fand plötzlich, sie habe etwas gewissermaßen Schwereloses an sich.
Als Randi und Cato zur Wache zurückfuhren, schaltete er sein Telefon wieder ein und rief zu Hause
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