Staatsverschuldung
widerspiegelt. Es entsteht also schon mit der Bürgschaft ein Geldtransfer von Staaten mit guter Bonität hin zu Staaten mit schlechter Bonität. Über diese Mehrkosten für die Staaten mit guter Bonität hinaus gibt es unterschiedliche weitere Kostenelemente, die vor allem von der Höhe des Zinsaufschlagsabhängen, den die Staaten mit guter Bonität zahlen müssen. Die potentiellen Mehrkosten für die Bundesrepublik Deutschland werden unterschiedlich hoch beziffert: die Schätzungen liegen zwischen mindestens 10 Milliarden Euro im Jahr (vgl.[ 85 ] und [ 86 ]) und 20 bis 25 Milliarden Euro zehn Jahre nach Einführung der Bonds[ 87 ]. Das Münchener ifo-Institut veranschlagt die jährlichen Mehrkosten durch Euro-Bonds sogar auf 33 bis 47 Milliarden Euro pro Jahr[ 88 ].
Ihre politische Attraktivität beziehen Euro-Bonds aus dem Umstand, dass auf diesem Weg die zur Stabilisierung des Euro notwendigen Transfers weniger sichtbar erfolgen, da die Wirkungsweise von Euro-Bonds komplex und intransparent ist und sich die tatsächlichen Mehrkosten für die Staaten mit guter Bonität kaum exakt berechnen lassen. Es ist vermutlich gerade diese Kostenintransparenz, die Euro-Bonds für die Politik so attraktiv macht – auf diesem Weg geraten die wahren Kosten der Stabilisierung des Euro nicht in den Blick des Wählers.
VI. Schlussfolgerungen
Weltweit ist die Verschuldung der meisten Staaten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gestiegen. Wir haben in diesem Bändchen versucht zu erläutern, wie und warum das geschehen kann und welche Folgen zu erwarten sind. Unter dem Strich sind es vier Lektionen, die unser Parforceritt durch die Welt der Staatsschulden lehrt:
1. Staatsverschuldung ist ein Übel, aber ein notwendiges. Es gibt gute Argumente für eine maßvolle Staatsverschuldung: Staatliche Investitionen, einmalige, außergewöhnliche Ereignisse und konjunkturelle Ausnahmesituationen rechtfertigen die Aufnahme von Schulden durch den Staat. Per se ist Staatsverschuldung also nicht schlecht. Es kommt vielmehr darauf an, was der Staat mit dem geliehenen Geld macht.
2. Staatsverschuldung ist vor allem ein politisches Risiko: Die Prozesse demokratischer Politik wirken in der Regel eher einseitig in Richtung höherer Schulden. Deswegen sind Staatsbankrotte wahrscheinlich nicht vermeidbar. Unsere Aufmerksamkeit sollte sich eher darauf konzentrieren, ihre negativen ökonomischen Auswirkungen bestmöglich zu begrenzen.
3. Die Folgen übermäßiger Staatsverschuldung sind nahezu unübersehbar. Übermäßige Staatsschulden gefährden die Stabilität und das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft. Hinzu kommt, dass einmal angehäufte übermäßige Schuldenberge nur noch über einen Staatsbankrott oder Inflation abgebaut bzw. beseitigt werden können. Ab einem bestimmten Schuldenniveau ist es kaum mehr möglich, aus den Schulden zu wachsen – es sei denn, die Bürger akzeptieren ungeheure persönliche Opfer.
4. Die Schuldenkrise der Europäischen Union ist zu einer Krise des Euro geworden. Dem liegen gravierende Konstruktionsfehler des Euro zugrunde, die nun offensichtlich geworden sind. In erster Linie haben sämtliche Sicherungsmechanismen gegen übermäßige Staatsverschuldung versagt. Auch die Europäische Zentralbank ist durch diese Krise in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie hat gegen ihren Stabilitätsauftrag gehandelt, um das Überleben der Währungsunion zunächst zu sichern. Sie war gezwungen, in dieser Weise zu handeln, da es keine andere Institution gab, die in der Lage gewesen wäre, kurzfristig autonom zu handeln. Neben der fehlenden Schuldenbremse muss das Fehlen von autonomen europäischen Institutionen für den Krisenfall ebenfalls als Konstruktionsfehler des Euro angesehen werden. Ein weiterer Fehler besteht darin, dass es keinen Mechanismus in der Währungsunion gibt, der das Entstehen gesamt- und vor allem außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte begrenzt oder verhindert.
Möglicherweise könnte die Mitwirkung und Kontrolle durch besser informierte Wähler die europäische Schuldentragödie doch noch zu einem guten Ende führen. In diesem Sinne hoffen wir, dass dieses Bändchen einen Beitrag dazu leistet.
Literaturempfehlungen
Adam, Klaus G. und Franz, Wolfgang (Hrsg.),
Instrumente der Finanzpolitik. Grundlagen, Staatsaufgaben, Reformvorschläge.
Frankfurt am Main: F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH, 2003, Teil II: Europäische Aspekte der Finanzpolitik, S.
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