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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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schon gefunden, doch darüber will ich heute nicht mit euch reden. Ich werde nur drei Tage fort sein. Der Schutz meines Bruders wird bis zu meiner Rückkehr genügen. Ich habe meine Entscheidung getroffen.«
    Die Teilnehmer der Versammlung sahen sich besorgt an, und keiner sagte ein Wort.
    Dann nickte der alte Mann ernst: »Dein Vater hat dieses Dorf gegründet, Amma möge ihm und seiner Familie immer beistehen, und wir müssen deine Entscheidung respektieren. Doch wir bitten dich, das Ganze wenigstens bis heute Abend noch einmal zu überdenken. Und uns andere nicht zu vergessen.«
    »Das werde ich tun«, stimmte Matuké zu.
    Dann stand er ohne weiteren Kommentar auf und machte sich auf den Weg zu seiner Hütte. Sein Bruder folgte ihm. Die Dorfbewohner traten beiseite, um ihm Platz zu machen, und dann senkten sie schnell den Blick, als sie den Priester Setuké mit seinen bedrohlichen dunklen Holzstöcken vorbeikommen sahen.
    Als er sein Zuhause erreichte, ging Matuké zu seiner Hütte, lächelte Zouley und Rokia zu, die ihn vom Hof aus ansahen, und bevor er die schwere Tür aus dickem Holz schloss, sagte er noch, er wolle bis zum Abend nicht gestört werden.

    Für Rokia war es ein merkwürdiger Tag.
    Die Entscheidung ihres Großvaters verwirrte sie, doch noch mehr die Tatsache, dass er sich dazu überhaupt nicht äußern wollte. Sie half ihrer Mutter bei der Hausarbeit, aber sie war nicht bei der Sache. Als sie sich im Hof das Canarì auf den Kopf stellte, weil sie zum Wasserholen gehen wollte, warf sie lange nachdenkliche Blicke zu der Tür, hinter der sich ihr Großvater aufhielt, und fragte sich, warum er mit niemandem sprechen wollte.
    Sie hatte die Siegespreise und die Holzmasken, die er bei den Wettkämpfen der Geschichtensänger gewonnen hatte, stets bewundert und ihn immer gedrängt, neue Lieder zu erfinden und sie ihr beizubringen.
    Wie viele mochte sie inzwischen gelernt haben? Zwanzig? Fünfzig? Hundert? Und sie hatte immer geglaubt, zwischen ihnen beiden bestünde eine ganz besondere Verbindung. Deshalb war sie ja auch so verwirrt. Sie konnte nicht akzeptieren, dass er allein hinter verschlossener Tür in der Hütte saß und nachdenken wollte.
    Aber nicht nur ihr ging es so. Eigentlich herrschte im gesamten Dorf eine Atmosphäre gespannter Erwartung. Nur nach außen hin ging alles seinen gewohnten Gang: Die Männer führten die Tiere auf die Weide, formten Lehmziegel für neue Hütten oder zum Ausbessern der alten Gebäude. Zur Mittagszeit waren Rokias Brüder von Kopf bis Fuß mit roter Erde bedeckt nach Hause gekommen, die in klebrigen Klumpen von ihnen abfiel, wo sie nicht auf der Haut wie ein rissiges Gewebe getrocknet war. Rokias Mutter überwachte alles mit gewohnter Aufmerksamkeit. Die anderen Frauen des Dorfes hielten sich auf dem kleinen Platz auf, wo immer ein Wind ging, und waren damit beschäftigt, die Körner der Fingerhirse hochzuwerfen, um auf diese Weise den schwereren Samen von der Außenhülle zu trennen, die vom Wind hochgewirbelt wurde und weiter weg zu Boden fiel, wo sich Hennen und Küken darum balgten.
    Doch diese eifrige Tätigkeit war wie eine scheinbar ruhige Wasseroberfläche, unter der sich gespannte, angstvolle Erwartung verbarg. Keiner von Rokias Brüdern warf heute aus dem Hinterhalt mit Steinen nach ihr. Und als sie nach Hause kamen, fragten Ogoibélou und Serou sie: »Was wird Großvater tun?«
    »Hat er dir etwas erzählt, Schwester?«
    »Willst du es uns nicht sagen?«
    Beide waren erstaunt, dass auch sie nichts wusste.
    »Wenn er Rokia nichts gesagt hat, bedeutet das, er hat sich noch nicht entschieden«, meinte Ogoibélou und verschwand.
    Je mehr Zeit verging, desto lustloser klang der Gesang der Frauen. Zouley schaute besorgt, als sie bemerkte, dass Dutzende von Leuten mit der Ausrede, ein wenig mit ihr plaudern zu wollen, ihren Hof betraten, weil sie eigentlich einen Blick auf die verschlossene Tür werfen wollten, hinter der sich ihr Vater befand.
    Als die Sonne langsam unterging und mit ihren roten Strahlen die Falaise beleuchtete, beschloss Rokia schließlich, dass sie lange genug gewartet hatte.
    Und klopfte an die Tür des Großvaters.

    »Wer ist da?«, rief er aus dem Inneren der Hütte.
    »Ich bin's.«
    Der schwere Holzriegel hob sich aus seiner tief eingeschnittenen Verzahnung und gab einen dunklen Spalt frei, durch den nur der spitze Bart des Geschichtensängers zu sehen war. »Hattest du noch einen Traum?«
    Sobald sie ihn hörte, verflüchtigte sich

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