Stadt aus Sand (German Edition)
Herzens,
Sie steigen und steigen, tanzen im Wind.
Siehst du sie? Weißt du es?
Was sie auf ihrem Weg noch erleben?
Du folgst mit dem Finger den Funken so weiß,
Sie steigen und steigen, siehst du sie? Weißt du es?
Auf dem Weg nach oben schreiben sie einen Namen.
Sie sind wie die Sterne
Die Funken des Herzens aus einem größeren Feuer
Sie steigen und steigen, tanzen am Himmel
Auf dem Weg nach oben schreiben sie einen Namen.«
Die Menschen im Hof waren alle so sehr mit den Vorbereitungen für Matukés Abschied beschäftigt, dass sie nicht auf Rokia achteten, die sang, die Melodie wiederholte und neue Strophen dazuerfand. Ihr Gesang mischte sich mit dem Knacken des Feuers.
»Ist das nicht Rokia, die da singt?«, fragte Yatoyé schließlich, als sie die Hütte betrat, in der die Frauen die Speisen für das Abendessen zusammentrugen.
»Was meinst du?«, fragte Zouley.
»Deine Tochter singt wirklich schön«, bemerkte eine von Zouleys Freundinnen, während sie ihr einige Teller reichte.
»Wo ist sie denn?«
»Da draußen, im Hof.«
Rokias Mutter stellte die Teller auf den Boden und ging nach draußen, um nachzusehen. Rokia saß mit dem Rücken gegen die Mauer gelehnt und war ganz in ihr Lied vertieft. Ihre Stimme klang zart, aber entschlossen, und Zouley fand sie wunderschön. Die anderen Frauen versammelten sich hinter ihr, um zuzuhören.
»Dein Vater hat sie gut unterwiesen, würde ich sagen.«
»Stimmt«, flüsterte Zouley verblüfft.
»Schade, dass sie ein Mädchen ist.«
»Na und? Darf ein Mädchen etwa kein Lied singen?«
Rokia sang und bewegte dazu den Kopf hin und her. Sie nahm nichts von dem wahr, was um sie herum geschah, nicht einmal die Ankunft des Priesters mit seinen beiden langen Stöcken. Sie vergaß alles andere und sang. Sie sang auch noch, als aus der Hütte des Großvaters einige Töne auf der Kora erklangen.
Und dann weitere.
»Habt ihr das gehört?«, fragte Yatoyé.
Ja, alle hatten es gehört, auch Zouley.
Der Riegel an Matukés Tür wurde hochgeschoben, sie öffnete sich, und der Geschichtensänger erschien. Er betrachtete das vor kurzem angezündete Feuer, die traditionellen Speisen, die auf den Matten hergerichtet waren, die Frauen, die in der Tür zur Hütte standen, und seine Enkelin, die auf der anderen Seite des Hofes saß und sang.
Dabei spielte er weiter auf der Kora und begleitete Rokias Lied. Die sah ihn ängstlich an.
»Nein, nein …«, beruhigte sie ihr Großvater lächelnd. »Sing weiter, Rokia! Sing weiter!«
Matuké trat zwei Schritte aus seiner Hütte und kauerte sich auf den Boden. Ohne sein Spiel auf der Kora zu unterbrechen, vereinte sich seine Stimme mit der des Mädchens.
Dann betraten die ersten Männer aus dem Dorf den Hof. Zwischen ihren Beinen schlüpften Kinder hindurch, die sich dann auf die Matten um das Feuer setzten und dem Geschichtensänger und seiner Enkelin lauschten. Und als Rokia verstummte, weil sie das, was da passierte, gleichzeitig faszinierte und ängstigte, sang ihr Großvater das Lied weiter.
Obwohl Matuké nur wenige Schritte entfernt von ihr vor der Hütte saß, schien er meilenweit entfernt zu sein. Der Schein des Feuers ließ sein Gesicht weicher aussehen, während er sang, und der Rauch stieg in Spiralen auf.
Von seinen Worten geleitet, folgten alle einem einsamen Helden auf die Jagd, der am Flussufer ein verwaistes Löwenjunges fand. Sie erfuhren, dass sein Dorf während seiner Abwesenheit niedergebrannt war und dass die Seele seiner Braut sich in einen Funken dieses Feuers verwandelt hatte und zum Himmel aufgestiegen war. Sie litten mit dem Helden und teilten seinen Schmerz, als der in sein Dorf zurückkehrte und ihn dort nur noch dieser Funken erwartete. Dann entdeckten sie mit ihm die Fährte des Schakals, der das Feuer gelegt hatte, weil er die gleiche Frau zur Braut begehrte, und zitterten vor Furcht, als der Jäger beschloss, sich zu rächen. Die Fährte des Schakals führte ihn in die Ferne. Währenddessen wuchs das Löwenjunge bei dem Jäger auf und wurde sein Freund. Und dann kam die Jagd: Der Rauch über dem Feuer wurde zu einem rennenden Löwen. Wurde ein Speer, eine Pfeilspitze. Der Jäger durchquerte die Steinwüste, die Länder des Donners und des tönenden Wassers. Alle glaubten, ihn vor sich zu sehen, wie er sich hinkniete und die Fährte suchte, während sein Herz verhärtet war und die Erinnerungen in ihm wie Feuer brannten. Und jede Nacht entströmten diesem Herzen Funken.
»O ja, Funken des Feuers, Funken
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