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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Seele ihn ein für alle Mal verlassen, doch das gelingt ihr nicht sofort: Es scheint, als wollte sich der Körper für jedes Verlassen rächen und hielte sie deshalb fest.«
    »Und kann man da etwas tun?«
    »Man kann die Seele mit Tanz, Musik und Gebeten stärken …«
    »Ist das der Grund, warum wir feiern, wenn jemand stirbt?«
    »Genau. Denn sobald sich die Seele vom Körper befreit hat, beginnt ihr wahres Leben. Und wenn du stirbst, wirst du zu einem Ahnen und bist wie eine Saite, die zwischen deinem Dorf und den Sternen gespannt ist.«
    »Hat Setuké dir diese Dinge beigebracht?«
    »Einige ja. Er ist ein Hogon . Er weiß viel über die Beschaffenheit der Seelen.«
    »Mir macht er Angst. Er ist immer so still und geheimnisvoll.«
    »Setuké hat eine schwere Last zu tragen. Und hat nur wenige Worte, um sich etwas davon zu befreien. Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben.«
    Rokia fühlte, wie ihre Lider schwer wurden. Ihr fielen die Augen zu, aber angesichts der Weite des funkelnden Sternenhimmels riss sie sie immer wieder auf.
    »Großvater?«, fragte sie etwas später, als sie merkte, dass sie immer noch wach war.
    »Was ist denn noch?«
    »Wenn du morgen den Wettbewerb gewinnen solltest, was bekommst du dann als Preis?«
    »Nichts, glaube ich zumindest.«
    »Und warum nimmst du dann überhaupt teil?«
    »Weil eine Ameise ihren Ameisenhaufen verlassen muss. Auch wenn sie keine Lust dazu hat.«
    »Was bedeutet das?«
    »Dass du früher oder später versuchen musst, etwas Schlaf zu finden, Rokia.«

TAMANÈ
    Rokia kam Tamanè riesengroß vor.
    »Großvater!«, rief sie aus, als die Stadt plötzlich vor ihnen unterhalb der Hochebene auftauchte. Sie drückte seine Hand ganz fest.
    Wohin sie auch blickte, sah sie nichts als ein Meer von Dächern. Mauern aus weißem Lehm, Mauern aus Ziegelsteinen, Mauern, die von winzigen Mustern durchzogen wurden. Ein unendliches Labyrinth von Straßen und Gässchen, in denen Hunderte von Menschen unterwegs waren. Und dazu der Lärm, ein chaotisches Durcheinander von Stimmen und Geräuschen.
    »Sinye!«, rief Matuké aus: »Was für ein Lärm!«
    Auf dem Weg in die Stadt hinunter steigerte sich dieser Lärm ins Unermessliche. Da waren Tiere, die am Straßenrand weideten, grüne Bäume, an denen bunte Girlanden und blinkende Lichterketten befestigt waren, gestreifte Zeltdächer über improvisierten Verkaufsständen. Weiße Lieferwagen ratterten über die Hauptstraße und spuckten dazu qualmend Benzin aus ihren verrosteten Auspuffrohren. Es gab Dromedare mit vergoldeten Nasenringen, klapprige Fahrräder und Kinder, die mit ihren Stöcken kreischend Reifen vor sich her trieben. Dazu von allen Seiten Hupen und Geschrei in so vielen verschiedenen Sprachen, wie sie Rokia noch nie gehört hatte.
    Sie liefen nebeneinander und kamen zu einem Platz voller Menschen, auf dem zwei Männer mit Masken auf Stelzen herumliefen. Als Rokia diese Riesen sah, schrie sie vor Überraschung auf.
    Matuké wollte weitergehen und zog den immer störrischeren Napoleon hinter sich her.
    »Wer waren diese Männer, Großvater?«
    »Das waren Tänzer für die heiligen Zeremonien.«
    »Und warum waren sie so groß?«
    »Alles, was heilig ist, ist groß.«
    Sie durchquerten die Menge, die zum Takt der Trommeln rhythmisch in die Hände klatschte. Matuké sagte ständig »Aketo  – Entschuldigung, bitte« auf Djula. Aber einmal hörte Rokia ihn auch ein paar Worte auf Französisch sprechen.
    »Was hast du gerade gesagt, Großvater?«, fragte sie ihn.
    »Ich habe zu dem Kerl gesagt: ›Wenn du mich jetzt nicht vorbeilässt, bekommst du Napoleons Hufe zu spüren.‹«
    Als sie einmal auf einen sonnenüberfluteten Platz kamen, zeigte er auf eine riesige Maske, die mindestens dreimal so hoch war wie der Mann, der sie trug, und sagte: »Schau mal: das ist Iminana , die Schlangenmaske.«
    Sie bogen unzählige Male irgendwo ab, bahnten sich noch öfter mit ihren Ellenbogen ihren Weg durch die Menge und drangen so immer weiter in die Stadt vor, in der Rokia unterzugehen glaubte. Napoleon protestierte mit lautem I-ah, doch Matuké schien zu wissen, was er tat. Er wich einem Zug roter Masken aus, die mit bunten Vogelfedern geschmückt waren, und arbeitete sich immer weiter zu dem Platz vor, an dem der Wettbewerb der Geschichtensänger stattfinden sollte.
    Je mehr sie sich dem Platz näherten, desto langsamer kamen sie wegen der vielen Menschen vorwärts. Napoleon zerrte am Halfter, was Matuké erschöpfte. Die Luft roch

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