Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
Vom Netzwerk:
folgen, und gleichzeitig versuchte er herauszufinden, wohin ihn Rokia zog.
    »Name?«, fragte der Mann hinter der Theke mürrisch, als sie an der Reihe waren.
    Rokia stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn sehen zu können. »Ich bin Rokia, und das da ist Matuké, der größte Geschichtensänger überhaupt. Wir sind hier, um am Wettbewerb teilzunehmen.«
    »Rokia Matuké«, schrieb der Mann. Und nachdem er ein wenig auf einem faustgroßen Tabakklumpen herumgekaut hatte, der seine Zähne verfärbte, fügte er hinzu: »Du kannst bei Sonnenuntergang singen.«
    Der alte Griot beugte sich vor, zog dabei das Maul des überraschten Napoleon gleich mit über die Theke. »Könnte es nicht etwas früher sein?«
    Der Mann hinter der Theke zeigte ihm gleichgültig die Liste mit den Namen. »Du stehst hier«, erklärte er ihm und zeigte auf die letzte Zeile. »Wenn du willst, kannst du bei Sonnenuntergang singen. Wenn nicht, dann streiche ich dich eben wieder von der Liste.«
    »Schon gut, schon gut«, murmelte Matuké unterwürfig. Es war, als ob er mit Verlassen des Dorfes all seine Autorität und seine Selbstsicherheit verloren hätte. »Ich werde bei Sonnenuntergang singen.«
    »Der Nächste!«, knurrte der Mann und kaute wieder auf seinem Tabakklumpen herum.
    Rokia, Matuké und Napoleon traten zur Seite und mischten sich unter die Zuschauer. Sie warteten geduldig.
    Am Mittag, nach der glänzenden Vorstellung von Bilal aus dem Land des Donners, schloss Matuké die Augen.
    »Da haben wir es«, murmelte er, als ob er etwas gesehen hätte. Seine Hand ging schnell zum Hals, doch sein Gris-gris war nicht mehr da.
    Hinter ihm flogen zwei schwarze Geier auf.

    Auf der anderen Seite der Wüste saß der Fürst der Stadt aus Sand in seinem Zimmer, in dem es dunkel war, obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, und starrte auf die hypnotisch wirkenden Muster seiner Wandteppiche. Dabei hörte er das Geschrei vom Markt, das von draußen hereindrang, und die Schritte seiner Wachen, die den Rhythmus der Arbeit im Inneren des Palastes vorgaben. Ab und zu trompetete eines der Tiere aus seiner persönlichen Menagerie los. Oder brüllte auf. Oder muhte. Oder krächzte.
    Abgesehen von diesen äußerst kurzen Unterbrechungen störte nichts weiter die Ruhe seiner Tage.
    Äußerst überrascht bemerkte Sanagò, dass zwei sei-?ner schwarzen Geier zurückkehrten. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, hätte er erstaunt mit den Lidern geklappert, doch seit er endgültig keinen Schlaf mehr fand, standen seine Augen ständig weit offen. Das war auch der Grund, so sagte man wenigstens, weshalb der Fürst den Schatten liebte und sein Gesicht hinter seinen ineinander verschränkten Fingern mit den scharfen Fingernägeln verbarg.
    »Ihr? Was für Neuigkeiten bringt ihr mir?«, fragte Sanagò die Geier, obwohl er genau wusste, dass sie ihm nicht antworten konnten. Sie waren Geschöpfe seiner eigenen Stimme, Teil seiner eigenen Macht.
    Der Fürst erhob sich aus seinem dornigen Thron und trat an die winzigen Fenster, von denen er einen ausgezeichneten Blick über die Stadt aus Sand hatte, deren Häuser unter der türkisen Kuppel des Himmels wirkten, als wären sie aus Nussschalen.
    Sanagò ging zu den Vögeln, die auf der Fensterbank hockten, lauschte ihnen und verzog dann seine schmalen Lippen zu einem Lächeln, das weniger freudig als bedrohlich wirkte.
    Die Eitelkeit der Menschen, dachte er, ist größer als ihre Weisheit. Der Aufruf zu einem großen Wettstreit hatte genügt, um den Stolz des alten Geschichtensängers zu wecken.
    »Nach so vielen Jahren ist Matuké endlich aus seinem Bau hervorgekrochen«, flüsterte der Fürst der Stadt aus Sand und starrte auf einen fernen Punkt jenseits der Wüste.
    Dann klatschte er in die Hände und begann, verbotene Worte zu murmeln.
    Allmählich verdunkelte sich der Himmel.

DER WETTSTREIT
    In Tamanè sank die Sonne allmählich.
    Es war ein unvergesslicher Tag gewesen. Rokia hatte wunderbare Lieder gehört, ein sehr seltsames Getränk probiert, das der arabische Verkäufer als »Minztee« bezeichnet hatte, und dazu ein ungesäuertes Fladenbrot gegessen, auf dem ein länglicher Fisch mit plattem Kopf lag, der direkt aus dem Meer kam. Die Stadt kam ihr nun weniger chaotisch vor als am Morgen, und das Gewirr aus tausend Stimmen um sie herum, die sie oft nicht verstand, weniger angsteinflößend.
    Als die Schatten der Gebäude über dem Platz immer länger wurden, atmete Matuké tief durch: Nun war die Stunde seines

Weitere Kostenlose Bücher