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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Setukés Fuchs verjagt!«
    Sie lief gleich zum Orakel, um nachzuschauen, aber da entdeckte sie die kleinen Abdrücke, die über die vom Hogon in die Erde gezogenen Quadrate liefen. Erleichtert ließ sie den Eimer in den Brunnen hinab, um für ihr Trinkhorn Wasser zu schöpfen.
    »Das wär's, Großvater. Ich bin bereit.«
    Sie blickte sich um und überlegte, welche Richtung sie einschlagen sollte. Das war nicht schwer, schließlich begann die Wüste direkt vor ihr. Dort, wo einst Gras gestanden hatte, war nun nichts als Sand.
    Rokia ließ den Eimer wieder in den Brunnen zurückfallen, dann hielt sie inne.
    Sie musste nur einen Schritt machen, und das wäre dann der erste von vielen auf ihrer Reise durch die Wüste.
    Jede große Tat beginnt stets mit einem kleinen Schritt, sagte ihr Großvater immer. Auch dann, wenn das ein Schritt war, von dem es kein Zurück gab.
    Seufzend suchte sie den nötigen Mut dafür zusammen. Als sie bereit war, hob sie entschlossen ihren Fuß und setzte ihn auf den Sand. Er war kühler als die Grasfläche, auf der sie bis zu diesem Augenblick gelaufen war.
    »Das wär's«, sagte Rokia, um sich Mut zu machen. »Es geht los.«
    Sie rückte sich den Beutel ihres Großvaters auf dem Rücken zurecht und starrte auf die helle Dünenlandschaft, die sich vor ihr erstreckte und ihr endlos und gleichzeitig in Reichweite zu liegen schien.
    »Diese Wüste kann ja nicht so groß sein, oder, Großvater?«
    Leise begann sie in der Nacht zu singen: » Funken des Feuers, Funken des Herzens …«
    Und dann zog sie los.

    Setuké versteckte sich immer noch in den Büschen. Er traute seinen eigenen Augen nicht. Konnte das wirklich sein?
    Konnte es sein, dass er das Fuchsorakel falsch gelesen oder verstanden hatte? Dass er »Lass ihn ziehen auf seine lange Reise« verwechselt hatte mit »Lass sie ziehen auf ihre lange Reise«?
    War es das, was ihm die Ahnen geraten hatten? Und erfüllte Setuké ihren Wunsch, wenn er sich weiter zwischen den Büschen verbarg? Sollte er zulassen, dass ein Mädchen sich ganz allein in die Wüste begab? War das etwa das Opfer, das die Rettung des Dorfes verlangte?
    War Rokia dieses Opfer?
    Matuké hatte immer große Hoffnungen in das Mädchen gesetzt. Er hatte davon geträumt, ihr beizubringen, wie ein Griot zu singen. Und sie zu seiner Schülerin zu machen.
    Er hatte immer gesagt: »Du wirst schon sehen, Setuké. Du wirst mir rechtgeben. Sie ist es.«
    Als Setuké ihr nachblickte, wie sie auf dem Sand verschwand, versuchte er, nicht nur einfach ein Mädchen in ihr zu sehen, sondern die Erfüllung all ihrer alten Hoffnungen und vieler ihrer uneingestandenen Träume.
    Er wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und ging wieder zum Dorf zurück. Sein Kopf hing voll mit Gedanken und Erinnerungen. Es hatte unendliche Diskussionen mit den Ältesten von anderen Dörfern gegeben, und so viele Fragen, die ins Leere gingen, wie Steine, die gegen die Falaise geschmettert wurden.
    »Warum rebellieren wir nicht alle zusammen gegen ihn?«, hatten die beiden Zwillinge mindestens hundert Älteste gefragt. »Vielleicht gibt es ja einen Weg, den Sand aufzuhalten.«
    Aber die Antwort war immer dieselbe gewesen. Keiner hatte je den Mut gefunden, Sanagò entgegenzutreten.
    Keiner, außer Matuké.
    Setuké beschleunigte seinen Schritt, gepackt von einer merkwürdigen Unruhe.
    »Das hast du gehofft, nicht wahr, Bruder?«, murmelte der Hogon und lief auf seinen langen Beinen zum Dorf zurück. »Du hast es immer gewusst, oder?«
    Er drückte das Tor zum Baobab mit einer Kraft auf, die er sich nicht mehr zugetraut hätte, und eilte auf seinen dünnen Beinen wie eine riesige knochige Spinne durch die grauen und stillen Straßen.
    Er betrat sein Haus, holte das heilige Rombo -Instrument und ging immer noch im Laufschritt wieder nach draußen.
    Als er den Fuß der Falaise erreichte, begann er auf unsichtbaren Wegen nach oben zu klettern. Die Pfade zerfurchten das Gestein wie Narben die Haut eines Kriegers. Setuké stieg höher. Er zog an Felsbrocken vorbei, die aussahen wie die Schornsteine unterirdischer Behausungen, und ließ die alten Ziegelmauern hinter sich, die im Laufe der Zeit verfallen waren.
    Unbekümmert wie ein kleiner Junge kletterte er den Steilhang hoch, balancierte auf Felsbändern, die so schmal wie eine Messerklinge waren. Als er zu den ersten Gräbern der Ahnen kam, stieg er noch höher hinauf, wobei er sich jetzt auch mit den Händen festhielt. Wie eine schwarze Fledermaus zog er sich

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