Stadt aus Sand (German Edition)
du endlich langsamer, oder muss ich dich erst niederschlagen?«, schrie er.
Inzwischen lag das Südtor zur Stadt direkt vor ihnen. Rokia konnte nun die Strohhüte der Wachen erkennen, die auf den Stadtmauern und an der Straße standen. Ein seltsamer Anfall von Furcht riss sie aus ihrer Starre, mit der sie Ayads seltsames Treiben beobachtet hatte, und brachte sie in die Wirklichkeit zurück.
»Das ist Monet, Ayad!«, schrie sie ihm zu. »Monet! Nicht Manet!«
Ayad drehte sich kurz um, doch sie begriff nicht, ob er ihr dankbar war oder nur nachsehen wollte, ob sie ihm gefolgt war. Er preschte immer noch in einer Wolke von Staub, Protestrufen von Mensch und Tier, Peitschenhieben und Hupen vorwärts, bis er schließlich sein Dromedar kurz vor den Wächtern der Stadt zum Stehen brachte.
»Bei allen Herren der Wüste!«, keuchte er und fiel völlig erschöpft zu Boden. »Diese Tiere sind ein Fluch, ja, das sind sie!« Dann verbeugte er sich dreimal vor den Strohhüten der stummen Wachen. »Wenn ihr nicht gewesen wärt. Also, ich mag mir gar nicht vorstellen, was dann passiert wäre!« Dann drohte er seinem ungehorsamen Tier mit der Faust und tat so, als würde er es kräftig verprügeln. »Du hättest mich geradewegs in den Fluss geworfen, was? Aber das lasse ich dir nicht so durchgehen, du wirst schon noch sehen! Ich schwöre dir, das lasse ich dir nicht so durchgehen!«
Als Rokia ihn auf dem zweiten Dromedar erreichte, wandte er sich zu ihr um und gestikulierte dabei wie ein Besessener. »Und du, meine Kleine? Wie geht es dir? Hast du diese verrückte Jagd überlebt? Oh, was sehe ich, was sehe ich? Das ist das reinste Wunder!«
Er stürzte heran, bedeckte in einer stürmischen Umarmung ihre Beine und zischte ihr dazu ganz ernst geworden leise zu: »Gib mir die Valiha , du bist doch zu dumm!«
Das kleine Saiteninstrument!
In der ganzen Aufregung hatte Rokia vergessen, es unter den Truhen zu verstecken, und es lag noch immer gut sichtbar auf ihren Knien. Ayad packte es rasch, drehte den Wachen den Rücken zu und überreichte es mit einem bühnenreifen Lächeln den zwei bärtigen Herren, die direkt hinter Rokia in der Schlange warteten.
»Edle Reisende! Ich bitte Euch, diese kleine Gabe anzunehmen, um Euch für das Vorgefallene zu entschädigen«, sagte er pathetisch und legte die Finger des einen Bärtigen um den Griff des Instruments. Der Mann schien nicht zu verstehen, was Ayad sagte, aber begriff den Sinn und wandte sich mit einem zahnlosen Lächeln an seinen Reisegefährten.
Die beiden nahmen das Geschenk mit einer angedeuteten Verbeugung an, danach ging Ayad wieder zu den Wachen zurück, ohne sich um die Flüche und Beschimpfungen von weiter hinten aus der Schlange zu kümmern.
Rokia blieb im Sattel sitzen. Während sich Ayad in Klagen und Dankesbezeugungen erging, begannen drei Wachen, deren Gesichter unter den Hüten aus geflochtenem Stroh verborgen waren, seine Waren auf den Rücken der Dromedare zu kontrollieren. Mit jedem ihrer Schritte wurden die Klagen der Reisenden, die in der Schlange standen und warten mussten, lauter. Schließlich neigte eine Wache in einer Geste der Zustimmung den Strohhut, woraufhin Ayad blitzschnell die Zügel seines Dromedars packte, Rokia aufforderte, ihm zu folgen, und im nächsten Augenblick durch das Südtor schritt.
»Dreh dich nicht um!«, riet er ihr, als die Wachen das Musikinstrument in den Händen des Bärtigen entdeckten.
Sobald sie die Stadtmauer passiert hatten, schlug Rokia ein widerwärtiger Gestank entgegen. Ayad streckte sich und lächelte breit. Dann holte er aus einem seiner hundert Beutelchen ein Stück Zucker und gab es dem Dromedar, während er ihm über das Gesicht streichelte: »Gut, Monet! Sehr gut! Eine ausgezeichnete Vorstellung!«
Kurz darauf erreichten sie den südlichen Platz der Stadt aus Sand.
Dort gab es dicht an dicht eine unüberschaubare Zahl Stände, und es wimmelte von Menschen, die wild durcheinanderschrien, aber alles hier war in diesen durchdringenden üblen Gestank gehüllt.
Offene Abwasserkanäle durchzogen die Straßen aus festgestampfter Erde. Jauchepfützen und Abfall jeder Art sammelten sich an allen Stellen, wo die Straße ein wenig breiter wurde. Und die Leute liefen einfach weiter und stiegen unbeeindruckt über Plastikverpackungen, Stofffetzen, verrostete Motorteile, Holzstücke und Überreste aus undefinierbaren Materialien hinweg.
Raogo streckte seine Nase in die Luft und schnupperte misstrauisch.
Von diesem ersten
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