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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Junge und der Hogon .
    Der Junge hatte sich öfter umgeblickt, aber durch die Augen des Geiers hatte der Fürst nichts als die von verschiedenen Schichten durchzogenen Felsen der Falaise gesehen.
    Das musste er sich genauer ansehen.
    Also betrat er einen langen dunklen Flur, an dessen Ende eine enge Wendeltreppe aus grauem Stein so steil in die Höhe führte, das einem schwindelig werden konnte.
    Der Fürst stützte sich an der Wand ab, während er hinaufging. Im Laufe der Jahre hatte er dort eine schwarze Spur von tiefen Kratzern hinterlassen.
    Er stieg die Treppe in völliger Dunkelheit hinauf, bis er schließlich ganz oben auf einem der Türme seines Sandpalastes stand. Kegelförmige Zinnen hoben sich vor dem Nachthimmel ab wie die Bäume eines versteinerten Waldes. Schwarze, von der Sonne versengte Stümpfe ragten aus den Mauern hervor wie die Stacheln von riesigen Stachelschweinen.
    Weit und breit war nichts, was seine Sicht behindern konnte. Sanagò hob beide Hände und ließ die Ärmel bis zu den Ellenbogen zurückgleiten. Seine Arme waren von einem Gewirr dicker Adern und einem Netz aus winzigen Narben bedeckt.
    »Fliegt!«, flüsterte er und zeigte mit einem seiner bemalten Nägel auf einen Punkt am Horizont.
    Aus den Nischen und Fensterscharten des Turmes erhoben sich die Geier wie ein Schwarm Heuschrecken. Der Himmel wurde durch eine schwarze Wolke verdunkelt, die schnell in Richtung Wüste drängte.
    »Zur Falaise!«, befahl er ihnen und gab damit ihr Ziel vor.
    Sanagò sah durch ihre Augen. Die Dünen glitten unter ihm hinweg. Die Geier flogen rasch, so schnell wie böse Träume. Er sah die Karawanenstraßen, ein Lager, dann grüne Bäume, die Falaise , einen Bach, einen Baobab, eine Straße, die ins Nichts führte.
    Und sonst nichts.
    Wie konnte das sein?
    Er ließ seine Geier in alle Richtungen ausschwärmen. Sein Blick wechselte gierig von den Augen eines Geiers zum nächsten.
    Was hatten der Hogon und Matukés Enkel … dort im Nichts … zu suchen?
    Wo versteckten sie sich jetzt?
    Wo?
    Sanagòs Hände begannen zu zittern. Seine weitaufgerissenen Pupillen durchzogen sich mit roten Äderchen. Und sein Kiefer verkrampfte sich.
    So verharrte er die ganze Nacht bis zum Morgengrauen.
    Und da …
    Da sah er sie.
    Einige Hennen liefen ganz ruhig zwischen den Büschen herum und pickten.
    Die ungehorsamen Hennen von Frau Karembé.
    Diese kleinen Tiere bestätigten seinen Verdacht. Sie waren der Beweis, den er suchte. Wo Hennen sind, gibt es auch Menschen. Und wo es Menschen gab, musste auch ein Dorf sein, selbst wenn er es nicht sehen konnte.
    Ein Dorf, das geschickt vor seinen Blicken verborgen wurde.
    Aber nicht ganz.
    Setukés Schutzrituale begannen brüchig zu werden wie abgetragener Stoff. Und nun konnte der Fürst auch eine Palisade erkennen, zitternd stand das Bild in der Luft wie eine Fata Morgana. Und er sah einige Kornspeicher, die an der Falaise hingen.
    »Das ist es«, entschied Sanagò und hörte sofort auf zu suchen.
    Er sank entkräftet hinter der Brüstung des Turms aus Sand zusammen. Bevor er zu Boden fiel, wählte er eines der Fläschchen aus, die an seinem Gürtel hingen, öffnete es und trank seinen Inhalt hastig aus.
    Dann musterte er boshaft die aufgehende Sonne.
    »Ich habe euch gefunden.«

DIE STADT AUS SAND
    Die Stadt aus Sand tauchte wie aus dem Nichts auf.
    Einen Augenblick zuvor hatte Rokia noch auf der Valiha gespielt,und Ayad hatte sich mit seiner Gürtelschnalle aus Metall die Fingernägel gereinigt. Im nächsten rissen beide erstaunt den Mund auf, gefesselt von dem Anblick, der sich vor ihren Augen ausbreitete.
    Die Karawanenstraße machte eine Biegung und führte dahinter steil nach unten in ein riesiges blaues Tal voller Vögel.
    Das Bett des Niger.
    Der breite Fluss mit seinen fruchtbaren Ufern veränderte die steinige, karge Landschaft und überzog sie mit so dichtem Grün, dass es beinahe schon schwarz wirkte.
    Und über dem Wasser erhob sich die Stadt aus Sand. Eine weite Fläche aus graugelben Häusern, Palmen, Vordächern aus Stoff, die vom Wind gepeitscht wurden. Rund um die Stadt zog sich schützend eine hohe Mauer. Im Hafen sah man ganze Flotten aus winzigen Booten, die sich auf dem Niger verteilten wie Insektenschwärme.
    Doch so groß die Stadt und ihr Hafen auch waren, was die beiden wirklich vor ehrfurchtsvollem Staunen erstarren ließ, war der Palast des Fürsten.
    Er erhob sich genau in der Mitte der Stadt, und seine riesigen, dicken Mauern erstrahlten in

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