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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Tier war, desto dümmer war es auch. Das hier wird wohl kaum aufgeweckter sein als Aotyé, sagte sich der kleine Junge, um sich Mut zu machen.
    Dann wich er ein wenig von dem Baum zurück, hob noch einen Stein auf und warf ihn so, dass der von oben in einem Bogen auf das Tier zukam.
    Der Geier flog von dem Zweig genau in dem Moment auf, bevor der Stein ihn treffen konnte …
    »Hau ab, du Mistvieh!«
    … und landete direkt auf dem Weg, nur ein paar Schritte von Inogo entfernt.
    Der Junge verstummte schlagartig.
    Die Augen dieses Geiers waren wirklich furchterregend.
    »Oh, oh …«, flüsterte Inogo und fühlte, wie die Angst ihn zu überwältigen drohte.
    Er wich langsam zurück. Sehr langsam.
    Und der Geier machte einen kleinen Sprung auf ihn zu.
    »Was willst du von mir?«, fragte Inogo und hob seinen Speer.
    Der Vogel streckte den Hals vor, legte den Kopf schief und krächzte. Der Schnabel war mindestens doppelt so groß wie die Spitze von Inogos Speer.
    »Bleib weg von mir, ja?«, schrie der Junge, so laut er konnte, in der Hoffnung, jemand aus dem Dorf würde ihn hören. »Bleib weg von mir oder ich spieße dich auf! Geh weg!«
    Dabei wich er im Schutz seines winzigen Speeres zurück und dachte dabei: Hört mich denn wirklich niemand?
    Dann warf er einen zweiten Blick auf die Palisade. Hundertfünfzig Schritt, seiner Schätzung nach. Er wusste genau, wie schnell er rennen konnte, aber er hatte keine Ahnung, wie schnell dieses Tier war. Und keine Lust, dies herauszufinden.
    Er sah sich aufmerksam und prüfend die Krallen an, die über das Erdreich scharrten. Sie waren messerscharf.
    »Hau endlich ab!«, schrie Inogo sichtlich nervös. »Geh dahin zurück, wo du hergekommen bist, hast du verstanden?«
    Er wich noch einige Schritte zurück, während auf seiner Stirn viele eiskalte Schweißtröpfchen erschienen. Noch ein wenig, dachte er. Nur noch ein Stück, und dann laufe ich weg. »Weg, ksch! Pfft! Hau ab!«
    »Inogo!«, rief ihn in diesem Augenblick jemand aus dem Dorf.
    Der Junge atmete erleichtert auf. Er musste sich nicht einmal umdrehen, um zu erkennen, zu wem diese Stimme gehörte. Es war Setuké, der Hogon , der jetzt rief: »Bei Amma, nein! Weg mit dir, du schändliches Untier!«
    Wieder reckte der Geier seinen Hals vor und öffnete krächzend seinen Schnabel.
    Setuké begann zu rennen, wobei er seine Stöcke über dem Kopf überkreuzte: »Fort von hier, du schändliches Untier! Fort von hier!«
    Der Geier wich mit dem Schnabel nach hinten und zog eines seiner Beine zurück, als hätte er Angst.
    Inogo bemerkte es und fasste neuen Mut: »Hast du gehört, was Setuké gesagt hat? Geh weg!«, schrie er ihn an.
    Als er hinter sich die Schritte seines Großonkels hörte, warf er seinen Speer. Zu seiner großen Überraschung bohrte sich seine Waffe in die Brust des Vogels und verschwand in dessen schwarzem Gefieder.
    Der Geier stieß einen gellenden Schrei aus und schlug wütend mit den ausgebreiteten Schwingen.
    Setuké stellte sich zwischen Inogo und den Geier und sprach ein Wort aus, das er noch nie ausgesprochen hatte.
    Der Geier hörte sofort auf, die Flügel zu bewegen. Sein Körper zitterte plötzlich, und nach einem letzten Aufbäumen löste er sich zu einem Rinnsal schwarzen, übelriechenden Wassers auf.
    Inogos Speer fiel klirrend zu Boden.
    Erst dann wich die Anspannung aus dem Körper des Hogon . Er legte dem kleinen Jungen eine Hand auf die Schulter und fragte ihn: »Geht es dir gut?«
    Inogo nickte. Sein Blick hing gebannt an dem schwarzen Rinnsal, das in das rissige Erdreich eindrang.
    »Was hattest du hier so weit von der Palisade entfernt zu suchen?«, schimpfte der Hogon ihn aus. »Hundert Schritte, hatte ich gesagt. Hundert Schritte, nicht mehr!«
    »Habe ich ihn getötet?«, fragte der Junge mit zitternder Stimme.
    Setuké biss sich auf die Lippe. »Ja, Inogo. Du hast ihn getötet.«
    Inogo sah den Hogon an.
    Setuké hatte seine Sandalen ausgezogen.
    Unter seinen Füßen stieg ein dünner Rauchfaden auf.

    Auf der anderen Seite der Wüste, in seinem Zimmer mit den Teppichen, riss der Fürst der Stadt aus Sand seinen Mund weit auf. Er sog die staubige Dunkelheit seines Throngemachs in sich ein und lief taumelnd über die Teppiche.
    Das ist also Matukés Zwillingsbruder, dachte er.
    Und das sein Enkel.
    »Du dummes Kind«, flüsterte der Fürst und steuerte unsicheren Schrittes zum Ausgang des Raumes.
    Was taten die beiden dort, inmitten des Nichts?
    Wohin waren sie unterwegs?
    Dieser

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