Stadt aus Sand (German Edition)
Platz zweigten Straßen und kleinere Gassen ab, die ein regelmäßiges Geflecht bildeten. Wohin sich Rokia auch wandte, überall sah sie nichts als Verkaufsstände. Auf der von der Sonne erhitzten Motorhaube eines Lastwagens, der keine Räder mehr hatte, auf dem Boden oder auf Tischen aus rohem Holz wurden Körbe mit den seltsamsten Dingen angeboten: winzig kleine, frittierte Fische, feuerrote Gewürze, Kassetten mit westlicher Musik, gegerbtes Leder und Pelze in allen Formen und Größen, bunte Stoffe, Kalebassen und verzierte Schöpfkellen.
Die Leute zogen langsam daran vorbei, sahen sich alles an, führten lautstarke Diskussionen und feilschten mit den Verkäufern um jedes Stück.
Ayad ging mit sicherem Schritt vorwärts, man sah ihm an, dass er sich hier auskannte. Er versuchte, die größeren Straßen hinter sich zu lassen und die, in denen der stinkende Müll das Vorwärtskommen erschwerte, wählte schattigere Wege, wo sich aus den fächerförmigen Wedeln der Rônier -Palmen ganze Passagen aus ineinander verschlungenen Blättern gebildet hatten. Gassen, Höfe und Fenster bildeten dort ein kompliziertes Muster aus Licht und Schatten.
»Hier entlang …«, sagte der Händler ab und zu. Raogo wich ihm nicht von der Seite. Schließlich bog er in eine holprige Gasse ein, in der zwischen dem Pflaster aus hellen Steinen rote, dornenbewehrte Blumen wuchsen, und die von dort sehr schnell zum Hafen führte. Der Niger sah aus wie ein grüner Mantel, der über den Wüstensand gebreitet war.
Rokia unterdrückte einen Schrei der Bewunderung. Am Ufer lagen gleich mehrere Reihen untereinander verbundener Boote, die dort festgemacht waren. Weiter hinten sah man Scharen von weißen Segeln, die vom Wind gebläht schnell vorwärtsglitten. Der Hafen war ein weiterer großer Markt: Die Leute vom Fluss hatten ihre Stände mit den bunten Körben direkt am Ufer aufgestellt. Dazwischen Fischreusen, die zum Trocknen aufgehängt worden waren, Tresen, auf denen man Fische ausnahm und Innereien frittierte. Unter einem großen Schutzdach standen Zimmerleute, die Boote bauten und reparierten.
Ayad ging jetzt langsamer, damit Rokia Zeit hatte, sich alles anzusehen, dann fragte er sie: »Hast du jemals einen von diesen Fischen gegessen?«
Als das Mädchen den Kopf schüttelte, brachte Ayad es zu einer schäbigen, aus Blech und Holzabfällen zusammengezimmerten Bude, wo ein einäugiger Mann mit einem schnellen Schnitt Fische öffnete, mit ein paar raschen Bewegungen die Gräten daraus entfernte und sie dann auf einen zischenden Grill warf, bevor er sie schließlich in flachgedrückte, öltriefende Fladen mit rohem Gemüse legte.
»Zwei Portionen für mich, Guter Bruder«, begrüßte ihn Ayad und band sein Dromedar an einem Ankerplatz für Boote fest.
Der Einäugige musterte ihn mit seinem einzigen gesunden Auge. Er schnitt noch einen Fisch auf, dann rief er aus: »Mich soll doch der Wind aus der Wüste entführen, wenn das nicht dieser Spaßvogel Ayad ist! Ayad! Du verfluchter Viehdieb! Was machst du wieder hier in der Stadt? Hast du mal wieder ein paar Glassteine, die du als Kongo-Diamanten ausgeben möchtest? Ha ha ha! Der Kostbare hat dir das immer noch nicht verziehen, weißt du? Du solltest ihm besser aus dem Weg gehen, wenn du nicht willst, dass er dir die Gurgel durchschneidet!«
»Ich freue mich sehr, dich noch so bei Gesundheit zu finden, Guter Bruder«, unterbrach ihn Ayad und umarmte ihn über den zischenden Grill hinweg.
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite! Zwei Portionen, hast du gesagt? Hast du so viel Hunger, oder bist du endlich vernünftig geworden?«, fügte er hinzu, als er Rokia bemerkte.
»O nein, Guter Bruder! So ist es nicht! Das Mädchen kommt aus einem Dogon -Dorf und sucht hier ihren Großvater.«
»Was für eine gute Enkelin! Und so eine lange Reise!«, sagte Guter Bruder scherzhaft und stieß den Tablier verschwörerisch mit dem Ellenbogen an. »Und was hast du davon, he, du Halsabschneider? Ich möchte wetten, du hast erst den Großvater entführt und ihr dann alles Gold der Familie abgeknöpft, damit du sie hierherbringst.«
Ayad lächelte leicht verlegen. »Guter Bruder macht sehr gern Witze.«
Rokia fragte unschuldig: »Warum nennt man dich Guter Bruder?«
Ayad winkte ihr, sie solle verschwinden: »Jetzt aber los. Warum siehst du dir nicht die Hüte dort hinten an?«
»Schick sie nicht weg«, brummte der Einäugige, nahm den knusprigen Fisch mit den Händen vom Grill und legte ihn in das
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