Stadt der blauen Paläste
mich ekelt.«
Crestina verzog das Gesicht.
»Das war Bartolomeo, er hatte den makabren Hang zu solchen Dingen und hatte seine ganze Kammer voll gestellt mit diesen Skeletten. Ich hätte nicht geglaubt, dass sie noch existieren.«
»Nun, das haben sie vermutlich auch nicht«, erwiderte Lea, »es waren zu Beginn nur noch Reste vorhanden, die kreuz und quer übereinander lagen. Aber Moise hat sie geordnet, wieder zusammengebaut, und sie dann in dieses Regal in dem Verschlag gestellt. Damit spielt er jetzt.«
»Mit den Skeletten?«, fragte Margarete verblüfft. »Was kann man damit spielen?«
Lea schmunzelte vor sich hin.
»Nun, er lässt die Tiere miteinander reden. Auch kämpfen. Wenn eines dabei kaputtgeht, baut er es wieder zusammen.«
»Und woher weiß er, wie diese Skelette zusammengehören?«, wollte Crestina wissen.
»Nun, woher wohl«, antwortete Lea mit einem Anflug von Stolz. »Schließlich ist er ein Kind, das mit und zwischen Büchern aufwächst. Wenn er niemand zum Spielen hat, hockt er stundenlang zwischen meinen Büchern und betrachtet sie. Dabei fand er auch Tierbücher mit den Skeletten, für die er sich besonders interessierte.«
»Ein seltsames Kind«, sagte Crestina nachdenklich, »man fragt sich nur immer wieder, was eines Tages aus ihm werden wird.«
»Andere Jungen bauen Schiffsmodelle«, verteidigte Lea Moise, »er interessiert sich für Tiere. Was soll denn schlimm daran sein?«
»Natürlich nichts«, meinte Crestina. »Ich denke nur, dass es für dich nicht einfach ist, mit einem solchen Kind und seinen Ideen zurechtzukommen.«
Lea seufzte.
»Nun ja, manchmal wünsche ich mir mehr Ruhe. Nur einen einzigen Tag, an dem nichts geschieht, nichts zu entscheiden ist, nichts zu begradigen, kein Gespräch mit irgendwelchen Leuten, um zu erklären, dass ein Kind kein Baum ist, den man in die Erde setzt, und da bleibt er dann gehorsam sitzen. Aber wenn ich mich abends auf meine Schlafbank legen kann und die ganz große Hiobsbotschaft ist ausgeblieben, bin ich schon zufrieden.«
Aber die nächste Hiobsbotschaft erreichte den Palazzo nur wenige Tage später. An Leas Kochtag, der sie stets schon früh am Morgen in Nervosität versetzte, weil sie sich nie sicher war, was sie ihren Freundinnen vorsetzen sollte. Und diesmal hatte sie ihre Planung bereits dreimal umgeworfen, schon bei den Suppeneinlagen.
Für die gebackenen Lokschen konnte sie sich nicht entscheiden, weil die Ringform, mit der sie aus dem Strudelteig winzige Ringe ausstechen musste, an einer Stelle gerissen war und sie fürchtete, dass die Ringe nun keine perfekten Ringe mehr sein würden. Außerdem brauchte das Ruhen des Teigs bereits zwanzig Minuten, das Austrocknen des Strudelteigs für die Nudelstückchen nochmals dreißig Minuten und die Zubereitung der Rinder- oder Hühnersuppe nahm weitere Zeit in Anspruch. Irgendwann entschloss sie sich dann für Teiglech, da sie diese für eine klare Suppe in schlichtem Salzwasser garen konnte.
Bei der Vorbereitung des Hauptgerichts war sie dann erneut in Zwiespalt geraten. Sie hatten die Absprache getroffen, dass jede der drei Frauen ihren Tag auch selber finanzieren sollte und da sich keine von ihnen nachsagen lassen wollte, dass sie knauserig war, konnten sich ihre Essen stets sehen lassen. Lea hatte sich also diesmal für ein im Topf gebratenes Huhn entschieden, aber sie hatte Schwierigkeiten mit der Entscheidung, ob sie das Huhn füllen sollte, weil das die Mahlzeit natürlich strecken würde. Es musste zwar nicht unbedingt als solches betrachtet werden, man konnte es ohne weiteres auch einfach als eine andere Form eines Hühnerbratens gelten lassen, aber sie war trotzdem unsicher gewesen. Als sie sich am Tag zuvor dann endlich für einen Hühnerbraten nach jüdischer Machart entschieden hatte, hatte sie bereits in aller Frühe mit dem Kochen begonnen, damit noch genügend Zeit für den Pflaumen-Feigen- Zimmes blieb, für den sie die getrockneten Früchte bereits über Nacht eingeweicht hatte.
Als der Türklopfer jetzt gegen die Haustüre fiel, hatte sie soeben den Zimmes fertig gestellt und hob einen Löffel davon Margarete entgegen, die soeben mit einem Wäschekorb auf die Altane hinaufsteigen wollte, um die Wäsche aufzuhängen.
»Ich geh rasch aufmachen«, sagte Margarete bereitwillig.
»Lass nur, ich kann das auch«, erbot sich Crestina, und stellte ihren Besen zur Seite, mit dem sie soeben das androne auskehrte. Sie band ihre Schürze ab und öffnete die Tür, vor der ein
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